Bei Festival denken wir Babyboomer an die Urmutter Woodstock und daran, dass wir mal um einiges jünger waren. Wer sich in unserem Alter auf Musikfestivals mit so programmatischen Titeln wie Bang your head oder Baden in Blut wagt, setzt sich allerhand Gefahren aus: verknackste HWS, Shortcut zum Hörgerät, Nierenbeckenentzündung. Selbst Mick Jagger braucht inzwischen eine neue Herzklappe.
Zum Glück haben viele von uns eine zivilisatorische Entwicklung durchlaufen: Smoking statt Schlammbad. Oder anders ausgedrückt: Salzburg und Bayreuth statt Wacken. Doch muss ein Festival der klassischen Musik keineswegs so teuer und vornehm sein wie die großen Festspiele in der Mozartstadt oder in Richard Wagners Bayreuth.
Draußen und umsonst
Bei Klassik Open Air beispielsweise besteht eine Kleiderordnung nur fürs Orchester und der Eintritt ist für alle Konzerte frei (im Gegensatz zu den dreistelligen Preisen der großen Metal- und Rock-Festivals). Wer sein Klassik-Musikerlebnis mit vielen Menschen teilen will, muss also nicht unbedingt in den Londoner Hyde Park zu den Proms reisen. Das Picknick auf der Wiese und ein Wunderkerzenmeer nach Sonnenuntergang gibt es auch in Nürnberg.
Das Gute liegt so nah
Überhaupt liegt bei den Festivals der Klassik das Gute oft sehr nah. In vielen deutschen Bundesländern haben sich Festivals etabliert, die mit großen Künstlern aufwarten – in einem Ort um die Ecke. Zu den bekanntesten zählt das Schleswig-Holstein Musik Festival, inzwischen eines der größten klassischen Musikfestivals Europas. Gespielt wird nicht nur in Konzerthäusern, sondern auch auf dem Land im Gutshaus, im Schlosspark, in der Scheune, auf dem Fährschiff.
Zu den großen Musikereignissen im regionalen Raum gehört auch das Rheingau Musik Festival, wo neben Klassik auch Jazz und Kabarett geboten werden. Bühne frei für Stars im Kloster, im Schloss, auf dem Weingut, in der Reithalle.
Gutshäuser, Schlösser, Kirchen und andere sehenswerte Bauten gibt es zuhauf auch ganz im Nordosten Deutschlands. Viele davon werden alljährlich zu Spielstätten der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern.
An übers Land verstreuten Spielorten finden auch Festivals statt, die zusammen mit Landessendern veranstaltet werden, wie zum Beispiel der MDR Musiksommer in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.
Festival plus …
Es müssen also weder die Elbphilharmonie noch die Staatsoper sein. Mit dem Ausflug zum Festival kann man bestens eine Landpartie und die Besichtigung von Altstadt, Schloss oder sonstigen Sehenswürdigkeiten verbinden. Das Festival als Anlass bringt Menschen zu Orten, die nicht unbedingt zu klassischen Tourismuszielen gehören, aber nicht minder reizvoll sind.
Quer durchs Land
Daher bieten auch Festspiele, die kleinere Orte erst bekannt gemacht haben, mehr als nur ein Musikerlebnis. Man könnte den gesamten Festival-Sommer über durch ganz Deutschland reisen: zu den Musikfestspielen im Havelland, zu den Musiktagen in Bad Harzburg, zu den Festspielen Europäische Wochen Passau, um willkürlich drei von unzähligen Beispielen zu nennen.
Insbesondere wer gerne Burgen und Schlösser besichtigt, kann dies oft mit hochkarätiger Musikkunst kombinieren, zum Beispiel bei den Ludwigsburger Schlossfestpielen, beim Moritzburgfestival, bei den Festspielen im Ettlinger Schloss oder der Schubertiade auf Schloss Eyb.
Es muss nicht immer Klassik sein
Selbstverständlich können auch Jazz-, Musical- oder Schauspiel-Liebhaber im Festivalsommer neue Orte kennenlernen, beispielsweise Bad Kissingen beim Kissinger Sommer oder die Stadt Wetzlar bei den Wetzlarer Festspielen.
Musikurlaub im Ausland
Dem großen regionalen Angebot zum Trotz – vielleicht soll es doch eine weitere Reise sein. Dann nichts wie hin zu den Bregenzer Festspielen mit der beeindruckenden Seebühne, vielleicht mit anschließendem Bergwandern, nach Luzern zu den internationalen Festspielen, kombiniert mit einem Schweizurlaub, oder sogar nach Glyndebourne zum legendären Opernfestival, zusammen mit einer Rundfahrt durch den Süden Englands und einem London-Trip. Ein potentieller Punkt auf der persönlichen Bucket List könnte auch die Reise zu den Opernfestspielen der Arena di Verona sein. Im römischen Amphitheater treten allsommerlich Weltstars der Klassik auf. Immerhin gibt es für Besucher über 65 ermäßigte Tickets.
Selbstverständlich sollte man beim Festival-Kartenkauf stets auf einen möglichen „Seniorenrabatt“ achten.
Die Festival-Saison ist eröffnet. Machen wir was draus!
2 Kommentare
Super! Toll geschrieben und gute Anregungen
Das macht mir große Lust auf Sommer, Kultur, Natur und Ausflüge. Ich werde mal das Konzerthaus in Blaiburg und das Musical „Zucker“ bei den Luisenburg-Festspielen anpeilen!