Aufräumen – Wie Sie aus der Marie Kondo-Methode das Beste herausholen

Aufräumen: so banal und doch so schwer. Und als hätte die Welt schon lange auf Erlösung gewartet: Eine Japanerin namens Marie Kondo verrät in Bestsellern, Videos und einer TV-Serie, wie Aufräumen angeblich das Leben verändert: mit den richtigen Tipps, aber auch mit den richtigen Gefühlen. Wir haben die sogenannte KonMari-Methode ausprobiert. Unser Fazit:

  • Die praktischen Ratschläge funktionieren prima.
  • Die Einbindung der eigenen Emotionen ist eine clevere Unterstützung.
  • Die Hoffnung auf ein besseres Leben könnte dennoch enttäuscht werden.

Eine Stimme im Menschen schreit nach Ordnung. Dass sich in selbst gemachter unordentlicher Umgebung ein inneres Chaos widerspiegelt, kann man als Binsenweisheit, psychologische Diagnose oder weltanschaulichen Leitspruch ansehen. Jedenfalls ist wohl was dran.

It’s magic

Denn Marie Kondo hat Erfolg, riesigen Erfolg. Es macht was mit den Menschen, wenn sie der zierlichen Frau mit der Pony-Frisur und dem niedlichen Akzent zuschauen, wie sie sich auf Knien bei einer Wohnung bedankt oder ein T-Shirt so faltet, dass es stehen kann. Sie nennt es „Magic cleaning“.

Aufräumen
Raus aus dem Schlamassel

Kondo liebt nach eigener Auskunft mess. Den englischen Begriff in Wortähnlichkeit mit Schlamassel zu übersetzen, wäre wohl ganz in ihrem Sinne. Denn aus selbigem mess/Schlamassel will sie uns heraushelfen. Mit ihrer KonMari-Methode, einer Mischung aus beherztem Zupacken und spirituell-artigen Ritualen:

  1. Nicht mal hier, mal da ein bisschen, sondern in möglichst kurzer Zeit komplett aufräumen
  2. Nicht nach Orten, sondern nach Gegenstand-Kategorien aufräumen: 1. Kleidung, 2. Bücher, 3. Dokumente, 4. der Kram eines Haushalts, 5. persönlich Bedeutsames wie Fotos, Briefe, Geschenke etc.
  3. Sämtliche Dinge einer Kategorie zusammentragen und aufhäufen
  4. Sehen und staunen, wie viel man wirklich besitzt
  5. Entscheiden, was man behält und was nicht. Dazu den Gegenstand betrachten und befühlen, um folgender Empfindung nachzuspüren: „Does it spark joy?“ / „Entfacht es Freude in mir?“ Da Glücksgefühle bei Dingen wie einer Haushaltsschere nicht unbedingt eintreten, ist auch die Frage erlaubt: „Brauche ich es?“
  6. Aussortieren, was weder glücklich macht noch gebraucht wird
  7. Sich beim aussortierten Gegenstand in Gedanken oder sogar Worten für dessen geleistete Dienste bedanken, um das Abschiednehmen zu erleichtern
  8. Einräumen, was glücklich macht und gebraucht wird. Immer am selben Platz und nach der ausgeklügelten Falt- und Verstau-Methode der Marie Kondo.

Dabei haben wir immer gedacht, man trennt sich am leichtesten von Zeug, indem man es ganz sachlich als das betrachtet, was es ist: Zeug. Es gibt einen Werbespot, in dem jemand eine alte Nachttischlampe auf den Sperrmüll stellt. Großaufnahme auf den traurig hängenden Lampenschirm im Regen, dazu getragene Musik in Moll. Dann die Stimme aus dem Off: „Don’t be stupid, it’s just a lamp“ und der fröhliche Aufruf, sich im schwedischen Möbelhaus eine neue zu besorgen.

Lieben statt Stapeln

Jetzt sollen wir uns bei unseren vier Wänden für ihren Schutz bedanken, die Bücher liebevoll streicheln oder beim Zusammenlegen unsere Liebe in den Stoff eines Pullovers senden. Persönliche Sachen, die man trotz der allerwärmsten Dankesworte niemals wegschmeißen könnte, sollen zuhause einen Dauerplatz wie eine Art Schrein bekommen. Gegenständen Leben und Seele zu verleihen, um damit kommunizieren zu können, kann man als Leihgabe der shintoistischen japanischen Religion an die Kondo-Methode für westliche Chaoten interpretieren.* Vielleicht hat dies zum Guru-gleichen Status von Marie Kondo beigetragen. Oder war es doch die verblüffende Erkenntnis, dass es viel schlauer ist, Klamotten nicht mehr zu stapeln oder zu stopfen, sondern in selbständig stehende Einheiten zu falten, die in Reih und Glied jederzeit zu überblicken, herauszunehmen und an derselben Stelle wieder einzuräumen sind?

Aufräumen
Beziehungsdrama vor der Waschmaschine

Die Faszination und Vermarktbarkeit des Kondo-Aufräumzaubers hat nach Millionen verkaufter, in 27 Sprachen übersetzter Bücher zu einer Fernsehserie eines großen Streaminganbieters geführt. Darin muss man sich allerdings lange mit den Befindlichkeiten der Akteure auseinandersetzen, bis endlich brauchbare Kondo-Tipps zum Einsatz kommen. Bereits in der ersten Folge wird klar: Drama muss her und life changing muss es sein.

Die Beziehung wackelt, da der Mann sich über die mangelnde Wäschewaschsortieraufräumkompetenz der Frau beklagt und diese ihm schuldbewusst beipflichtet. Erinnerungen an die Lenor-Reklame von 1970 mit dem schlechten Gewissen der Hausfrau mit den kratzigen Handtüchern werden wach. Im Doku-Drama wird schließlich aufgeräumt mit Marie Kondo und die Ehe ist gerettet.

Es ist aufgeräumt und man ist aufgeräumt

Das Leben ist aber keine Soap. Es ist zwar durchaus nicht zu unterschätzen, wie sehr man über die neue Ordnung daheim oder am Schreibtisch erfreut, zufrieden oder sogar glücklich sein kann. Man kann die Methode sogar verinnerlichen. Selbst auf Konsumgewohnheiten und Lebensstil lässt sich der eingeübte „Macht es glücklich / brauche ich das?“-Entscheidungsleitfaden anwenden. Doch für Orientierung, Sinn und Seelenheil im Leben braucht es möglicherweise doch etwas mehr als die Übersicht in Schrank und Schublade.

*Quelle: Haringke Fugmann: Aufräumen als heilige Handlung. Zum weltanschaulichen Hintergrund des Bestsellers „Magic Cleaning“ von Marie Kondō. EZW-Texte 252, Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, Berlin 2017, ISSN 0085-0357

English Version

Cleaning up – How to get the best out of the Marie Kondo Method

Cleaning up: so banal and yet so difficult. And as if the world had been waiting for redemption for a long time: a Japanese woman named Marie Kondo reveals in bestsellers, videos and a TV series how cleaning up supposedly changes lives: with the right tips, but also with the right feelings. We have tried the so-called KonMari method. Our conclusion:

  1. The practical advice works great.
  2. The integration of your own emotions is a clever support.
  3. The hope for a better life could still be disappointed.

A voice inside a person cries out for order. The fact that self-made untidy surroundings reflect an inner chaos can be seen as a truism, psychological diagnosis or ideological motto. In any case, there is probably something to it.

It’s magic

Because Marie Kondo has success, huge success. It does something to people when they watch the petite woman with the pony hairstyle and the cute accent thanking an apartment on her knees or folding a T-shirt so that it can stand. She calls it „Magic cleaning“.

Get out of the mess

Kondo loves mess according to her own information. Because she wants to help us out of this mess. With her KonMari method, a mixture of courageous action and spiritual-like rituals:

  1. Clean up completely in the shortest possible time, not here and there a little bit.
  2. Do not tidy up according to places, but according to categories of objects: 1. clothes, 2. books, 3. documents, 4. the stuff of a household, 5. personally important things like photos, letters, gifts etc.
  3. Gather and pile up all items in a category.
  4. See and be amazed at how much you really own.
  5. Decide what to keep and what not to keep. To do this, look at the object and feel it, in order to feel the following sensation: „Does it spark joy in me?“ Since feelings of happiness do not necessarily occur with things like household scissors, the question „Do I need it?“ is also allowed.
  6. Sort out what neither makes you happy nor is needed.
  7. Thank the discarded object in thought or even words for the services rendered to ease the farewell.
  8. Keep what makes you happy and what is needed. Always in the same place and according to the ingenious folding and stowing method of Marie Kondo.

We have always thought that the easiest way to get rid of stuff is to look at it objectively as what it is: stuff. There’s a commercial where someone puts an old bedside lamp in the trash. A close-up of the sadly hanging lampshade in the rain, accompanied by music in a minor key. Then the voice from offstage: „Don’t be stupid, it’s just a lamp“ and the cheerful call to get a new one at the Swedish furniture store.

Loving instead of stacking

Now we should thank our four walls for their protection, caress the books lovingly or send our love into the fabric of a sweater when we fold it. Personal belongings that could never be thrown away despite the warmest words of thanks should be given a permanent place at home like a kind of shrine. Giving life and soul to objects so that they can communicate with them can be interpreted as a loan from the Shintoist Japanese religion to the Kondo method for Western chaos.* Perhaps this has contributed to Marie Kondo’s guru-like status. Or was it the astounding realization that it is much smarter to no longer stack or stuff clothes, but to fold them into independently standing units that can be viewed in a row at any time, taken out and put back in the same place?

Relationship drama in front of the washing machine

The fascination and marketability of the Kondo cleaning magic has led to a television series by a major streaming provider after millions of books sold and translated into 27 languages. However, the series has to deal with the sensitivities of the protagonists for a long time before useful Kondo tips are finally used. Already in the first episode it becomes clear: drama must come and life changing must be.

The relationship is shaky as the man complains about the woman’s lack of laundry sorting skills and the woman guiltily agrees with him. Memories of the 1970 Lenor advertisement with the housewife’s guilty conscience because of the scratchy towels come to mind. In the docu-drama, things are finally cleaned up with the help of Marie Kondo and the marriage is saved.

It’s tidy and you’re tidy

But life is not a soap. It is certainly not to be underestimated how much one can be pleased, satisfied or even happy about the new order at home or at the desk. One can even internalize the method. Even on consumer habits and lifestyle, the practiced „Does it make you happy / do I need that?“ decision guide can be applied. But for orientation, meaning and salvation in life, it may take a bit more than just an overview in a cupboard and drawer.

*Source: Haringke Fugmann: Cleaning up as a sacred act. To the ideological background of the bestseller „Magic Cleaning“ by Marie Kondō. EZW-Texte 252, Protestant Central Office for Worldview Issues, Berlin 2017, ISSN 0085-0357

2 Kommentare

Danke, der Schluß bzw. die Schlußfolgerungen versöhnen mich mit dem Thema. Ich habe schon voreilig Dinge und Dokumente entsorgt, deren Besitz mich Jahre später glücklich gemacht hätte.

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