Whataboutism – den Trick erkennen und kontern

Neulich diskutierte ich mit einer Freundin über irgendwas und kriegte zu hören: Dein Whataboutism hilft hier nicht weiter. Autsch. Falls Sie Whataboutism noch nicht kennen, erinnern Sie sich einfach an Ihre Kindheit: Sie saßen vor Ihrem Teller Spinat und formulierten ein klares kindliches Argument: Bäh! Darauf die elterliche Ermahnung: Und in Afrika hungern die Kinder!

What about … (und was ist mit …) ist ein rhetorischer Trick, um von einer Kritik (Spinat schmeckt nicht) durch die Erwähnung eines anderen Missstandes (Menschen hungern) abzulenken. Statt eine Diskussion durch weitere themenbezogenen Argumente zu einer potentiellen Lösung zu bringen (Was können wir tun, dass er dir schmeckt?), erhebt sich der Nutzer des Whataboutism über die Kritik des anderen.

Im Gespräch zwischen den Generationen kann sich das zum Beispiel so anhören:

Jungen fehlt es oft an Respekt für Ältere!

Kritik von Astrid (71)

Und wie krass ist es, dass wir eure Rente zahlen müssen?

Whataboutism von Tom (22)

Oder:

Ein Skandal, dass Frauen immer noch weniger verdienen als Männer.

Argument von Leonie (30)

Zu meiner Zeit durften Frauen nicht mal arbeiten.

Whataboutism von Horst (83)

Der Begriff Whataboutism, auch Whataboutery, ist nicht neu, sondern entstand in der Zeit des Kalten Krieges, als die Sowjetunion Kritik der USA (Ihr bedroht die westliche Freiheit) stets mit Gegenvorwürfen konterte (Ihr bombardiert unschuldige Asiaten). Bis heute wird auf der politischen Bühne das große Whatabout-Spiel gegeben – aber auch im alltäglichen Miteinander.

Wer seinen Whatabout-Sensor einschaltet, stellt fest: Wir werden durch diesen Trick oft ausgebremst oder wenden ihn sogar selbst an, ohne es zu merken.

Whataboutism

Das passiert im Gespräch und häufig beim Chatten in sozialen Medien, in denen die Argumente ohne gründliches Nachdenken oder – schlimmer – gezielt manipuliert durch den Äther fliegen.

Was macht man gegen Whataboutism?

Sobald man merkt, dass ein Argument durch ein anderes relativiert oder in der Diskussion vom Gesprächsgegenstand abgelenkt werden soll, könnte man den Whataboutism-Versuch entlarven und stoppen:

Das ist auch interessant, aber bleiben wir beim Thema.

Das ist ein anderes Thema, das wir gerne nachher diskutieren.

Selber blöde Kuh

Whataboutism ist eng verwandt mit dem rhetorischen Mittel des tu quoque (lateinisch du auch). Hierbei wird ein kritisierender oder moralisierender Standpunkt an die sich äußernde Person zurückgegeben, auch bekannt unter Der soll sich an die eigene Nase fassen oder Der soll erst vor der eigenen Tür kehren. Tu quoque kennen wir ebenfalls schon seit der Kindheit:

Du bist echt ne blöde Kuh.

Kritik von Kind eins

Selber blöde Kuh.

Tu quoque von Kind zwei

Aber eine Whataboutismus- oder Tu-quoque-Strategie muss nicht immer bösartig manipulativ sein. Sie kann auch helfen, Doppelmoral zu entlarven. Wenn jemand etwas anprangert, während er selbst nicht koscher ist, darf man durchaus kontern: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.

Whataboutism ist aber auch ein Mittel, um allzu selbstkritische Menschen aufzumuntern. Im Gespräch mit meiner Freundin ging es irgendwann ums Älterwerden. Sie klagte: Mein Gedächtnis hat wirklich nachgelassen. Ich entgegnete: Ich kenne niemanden, der so gut Kopfrechnen kann wie du. Mein Whataboutism ging diesmal glatt durch.

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