Bleib gesund, bleiben Sie gesund! Damit enden in der Corona-Zeit die meisten privaten und sogar geschäftlichen Nachrichten und Schreiben. Das kann man als nervige Floskel abtun oder aber darüber nachdenken, welches Potential darin steckt. Man drückt sich gegenseitig aus, dass einem Wohlergehen und Leben des Anderen wichtig sind. Seit wann gibt es das? So viel Warmherzigkeit sind wir nicht mehr gewohnt.
Es gibt viele Verschiebungen in der Krise und in all dem Staunen und der Unsicherheit darüber, was gerade geschieht, kann man auch Lichtblicke entdecken.
Angesichts von so vielen Toten und unabsehbaren wirtschaftlichen Folgen soll nichts schön geredet werden. Wir wissen nicht, wie und ob wir in dieser Krise die Kurve kriegen. Aber:
Wir erkennen, was und wer wichtig ist.
Brot kaufen. Lebensmittel einholen. Eine der größten Selbstverständlichkeiten der Wohlstandsgesellschaft wird plötzlich zur heiligen Handlung. Neuer Wert und Fokus fällt auf jene, die ihn verdienen: Bäcker und Supermarktmitarbeiter, die unerschrocken die Stellung halten. Eine Hermes-Tasche kann man nicht essen.
Man kann es nicht oft genug sagen. Menschen im Gesundheitssystem arbeiten hart und unterbezahlt für ihre Leistung. Dem rührseligen Klatschen vom Balkon folgt der Ruf nach wirtschaftlicher und organisatorischer Wertschätzung durch politische Maßnahmen. In und nach dieser Ausnahmesituation kann er nicht ungehört bleiben.
Wir üben das Trennen der medialen Spreu vom Weizen.
Wie interessant ist eigentlich noch, wer welche Insekten in welchem Camp herunterwürgt und welche Hochwohlgeborenen sich wo niederlassen? In einer weltweiten Krise wächst der Respekt für zentrale Themen, und Absurdes fällt auf.
Nicht nur Helden im Handel und Gesundheitswesen, auch Medienschaffende laufen zur Hochform auf. Um im Strom der Meldungen und Information nicht unterzugehen, ist die Bedeutung von seriösen Quellen deutlicher denn je geworden.
Die viel geforderte Medienkompetenz, die Unterscheidung zwischen Glaubhaftem und Fake, können wir jetzt beim Konsum von Nachrichten und Meinungen intensiv üben. Auch widersprüchliche Informationen und Meinungen muß man einschätzen können. Sogenannte Qualitätsmedien erkennt man daran, dass sie genau das bei der Berichterstattung versuchen. Es sieht so aus, als erhielten Anbieter von journalistischem Know-how und geprüften Aussagen neuen Aufschwung.
Wir können bei lebenswichtigen Themen auf die ultimative Selbstbestimmung verzichten.
Rauchen, Rasen, Billigfleisch. Jeder weiß, dass individuelle Vorlieben anderen schaden können, nämlich Passivrauchern, Verkehrsteilnehmern, Umwelt und Tieren. Andererseits galten und gelten Einschränkungen für Raucher, Raser und Fleischesser als eklatanter Eingriff in die persönlichen Freiheitsrechte.
Und dennoch: Rauchverbote und Tempolimits (zumindest in anderen Ländern) werden ohne Auflehnung akzeptiert. Einige Menschen essen weniger und bewusster Tiere. Individuen verzichten zum Wohl von anderen in der Gemeinschaft. Und siehe da: Von diesem Gemeinsinn profitieren sie oft selbst. Neudeutsch gesagt: eine Win-win-Situation.
Vielleicht funktioniert so die im freiheitlichen Rechtsstaat noch nie erlebte Beschränkung von Handel, Wandel und Lebensgestaltung. Verbote, sich zu versammeln, zu reisen, das Geliebte und Gewohnte zu tun, lassen sich besser ertragen, wenn es fürs Große und Ganze ist.
Wenn Ziel und Sinn der Beschränkung nachzuvollziehen sind, könnte selbst den Corona-Partygängern der Spaß an Ignoranz und Rebellion vergehen.
Wir könnten unsere Freiheiten nach der Krise umso mehr schätzen und verteidigen.
Nicht nur, was die Helden des Alltags für uns bedeuten, wird uns neu bewusst, sondern auch der Wert unserer Rechte. Dass sich Menschen mehr für Politik und Gesellschaft interessieren und engagieren, ist nicht auszuschließen.
Wir stellen uns der Herausforderung, mit Verlusten umzugehen.
Vor allem ältere Menschen, die schon Schicksalsschläge und Verluste hinnehmen mussten, haben Erfahrung darin sich anzupassen. Um Krisen zu überstehen, ist es manchmal erforderlich, Geliebtes und Gewohntes loszulassen und Veränderungen oder Verluste zu akzeptieren. Nicht immer bringt uns Automatismus weiter. Im Gegenteil: Flexibilität kann neue Chancen eröffnen. Die Einsicht, dass wir nicht alles kontrollieren können, kann uns etwas weiser machen.
Wir hamstern, aber wir helfen auch.
Was will man machen, wenn kein Klopapier mehr zu kaufen gibt? Sich drüber freuen, wenn eine Freundin welches anbietet. Für Andere einkaufen, sich nach dem Befinden von Verwandten, Freunden und Bekannten erkundigen, organisieren und anpacken – Solidarität wabert durchs Land.
Hygieneregeln gehen um die Welt.
Nie sind simple Regeln zur Eindämmung von übertragbaren Krankheiten bei so vielen Menschen so gründlich angekommen. Die Empfehlungen zum Händewaschen und Abstandhalten füllten zwar zu jeder Grippesaison die Medien, verhallten aber oft wie Rufe in der Wüste.
Was Hygiene und Impfstoffe wert sind, dürfte inzwischen sehr vielen Menschen klar sein. Das könnte auch jenseits von Corona viele Krankheitsfälle – Stichwort Herdenimmunität – und Leid ersparen.
Wer bislang meinte, ein paar Mal Sauna reicht gegen die Grippewelle, mag inzwischen auch eine Impfung in Erwägung ziehen.
Selbst der Glaube an höhere Mächte als Virenschutz ist erschüttert. Nur ganz Verzückte werden noch den fast weggeküssten Fuß des heiligen Bronze-Petrus im Petersdom kosen. Und nach religiösen Veranstaltungen mit Superspread-Folgen in aller Welt empfehlen sogar höchste Gottesvertreter das Motto: My home is my church.
Wir könnten die Vorteile der Digitalisierung besser nutzen.
Jetzt heißt es: Die Welt, Gesellschaft, Wirtschaft und so weiter werden nie wieder so sein, wie sie waren. Dabei gibt es die ganz große Veränderung bereits, allerdings kam sie in kleineren Schritten. Unter dem Schlagwort Disruption (Unterbrechung, Zerstörung) hat die technisch fortschreitende Digitalisierung alle möglichen Formen des Zusammenlebens und Wirtschaftens grundlegend und nachhaltig umgewälzt.
Die Technik gibt neues Verhalten, vielleicht sogar neues Denken vor.
Nun liegt es an uns, die digitalen Möglichkeiten demokratisch und sicher auszubauen. Was wäre diese Krise ohne das Internet? Die neuen Wege zu Informationen, sozialen Kontakten, Kommunikation und Zusammenarbeit sind für die meisten Menschen erlernbar und erschwinglich.
Vorhandene Potentiale können noch intensiver genutzt werden.
- Wenn das Internet auch den älteren Familienmitgliedern vertraut ist, bleiben auch nach Corona bessere Möglichkeiten, miteinander in Kontakt bleiben. Wir sollten alle Generationen technisch fit machen.
- Neue Formen der Wissensvermittlung an Schulen und Hochschulen per E-Learning und Online-Unterricht sind nicht nur viruskrisenfest, sondern eröffnen Bildungsmöglichkeiten unabhängig von Ort und Zeit.
- Das Homeoffice und die Videokonferenz können Energie und Ressourcen sparen. Vielleicht wird die Arbeitswelt gerade in die Zukunft geschubst.
- Neue Technologien wie Handy-Apps könnten bei der effizienteren Eindämmung von Corona und künftiger pandemischer Bedrohungen helfen.
- Auch die Abwägung von Kommunikationsziel und Datenschutz ist die Herausforderung der Stunde.
Wird das alles nachhaltig sein? Es lässt sich – wie so vieles derzeit – nicht voraussehen, aber erhoffen. Bis dahin:
Bleiben Sie gesund!
English Version
Stay healthy and other opportunities in the global virus crisis
Stay healthy! This is the end of most private and even business messages and letters in the Corona era. This can be dismissed as an annoying phrase or you can think about the potential it holds. You express to each other that you care about the well-being and life of the other person. Since when has this existed? We are no longer used to so much warmth.
There are many shifts in the crisis and in all the amazement and uncertainty about what is happening, there are also rays of hope.
In view of so many dead and the incalculable economic consequences, nothing should be talked up. We do not know how and whether we will be able to turn the corner in this crisis. But..:
We recognize what and who is important.
Buying bread. Buying food. One of the greatest self-evidences of the affluent society suddenly becomes a sacred act. New value and focus falls on those who deserve it: bakers and supermarket workers who fearlessly hold the line. You can’t eat a Hermes bag.
You can’t repeat it often enough. People in the health system work hard and are underpaid for their services. The maudlin clapping from the balcony is followed by a call for economic and organisational appreciation through political measures. In and after this exceptional situation it cannot go unheard.
We practice separating the media chaff from the wheat.
How interesting is actually still, who chokes down which insects in which camp and which highborn ones settle where? In a global crisis, respect for central issues is growing and absurdities stand out.
Not only heroes in the retail and healthcare sectors, but also media professionals are at their best. In order not to get lost in the stream of news and information, the importance of reputable sources has become clearer than ever.
The much demanded media competence, the distinction between what is credible and what is fake, can now be practised intensively when consuming news and opinions. We must also be able to assess contradictory information and opinions. So-called quality media can be recognized by the fact that they try to do exactly that when reporting. It looks as if providers of journalistic know-how and verified statements are receiving a new boost.
We can do without ultimate self-determination when it comes to vital issues.
Smoking, speeding, cheap meat. Everyone knows that individual preferences can harm others, namely passive smokers, road users, the environment and animals. On the other hand, restrictions for smokers, speeders and meat eaters have been and still are considered a blatant encroachment on personal liberties.
And yet: smoking bans and speed limits (at least in other countries) are accepted without rebellion. Some people eat fewer animals and more consciously. Individuals give up for the benefit of others in the community. And lo and behold: they often benefit from this community spirit themselves. A win-win situation.
Perhaps this is how the restrictions never before experienced in a free constitutional state work. Prohibitions to gather, to travel, to do the beloved and the accustomed are easier to endure if they are for the greater good.
If the aim and purpose of the restriction can be understood, even the Corona partygoers could lose the fun of ignorance and rebellion.
We could appreciate and defend our liberties even more after the crisis.
Not only do we become newly aware of what the heroes of everyday life mean to us, but also of the value of our rights. It is possible that people will become more interested and involved in politics and society.
We rise to the challenge of dealing with losses.
Older people in particular, who have already suffered blows and losses, have experience in adapting. In order to survive crises, it is sometimes necessary to let go of the beloved and familiar and to accept changes or losses. Automatism does not always help us. On the contrary: flexibility can open up new opportunities. The insight that we cannot control everything can make us a little wiser.
We forage, but we also help.
What will you do when there is no more toilet paper to buy? Be happy if a friend offers some. Shopping for others, inquiring about the condition of relatives, friends and acquaintances, organising and getting involved – solidarity wafts through the country.
Hygiene rules go around the world.
Never have simple rules for controlling infectious diseases reached so many people so thoroughly. The recommendations for washing hands and staying away from others filled the media every flu season, but they often echoed like shouts in the desert.
What hygiene and vaccines are worth is probably clear to many people by now. This could also save many cases of disease – keyword herd immunity – and suffering beyond Corona.
Anyone who previously thought that a few visits to the sauna would be enough to combat the wave of flu may now also consider a vaccination.
Even the belief in higher powers as virus protection has been shaken. Only the most ecstatic will still be kissing the almost kissed-off foot of St. Bronze Peter in St. Peter’s Basilica in the Vatican. And after religious events with superspread episodes all over the world, even the highest representatives of God recommend the motto: My home is my church.
We could make better use of the advantages of digitisation.
Now it is said: The world, society, economy and so on will never be the same again. The big change is already there, but it came in smaller steps. Under the buzzword Disruption technically advancing digitisation has fundamentally and sustainably transformed all possible forms of living and doing business together.
Technology provides new behaviour, maybe even new thinking.
Now it is up to us to expand the digital possibilities democratically and securely. What would this crisis be without the Internet? The new ways of information, social contact, communication and collaboration are learnable and affordable for most people.
Existing potentials can be used even more intensively.
- If the Internet is also familiar to the older members of the family, there will be better opportunities to stay in touch with each other even after Corona. We should make all generations technically fit.
- New forms of knowledge transfer in schools and universities via e-learning and online teaching are not only virus-proof, but also open up educational opportunities independent of time and place.
- The home office and video conferencing can save energy and resources. Perhaps the world of work is being pushed into the future.
- New technologies such as mobile phone apps could help to contain corona and future pandemic threats more efficiently.
- Weighing up communication objectives and data protection is also the challenge of the hour.
Will all this be sustainable? Like so much at present, it cannot be predicted, but it can be hoped for. Until then:
Stay healthy!