Ausmisten und Minimalismus sind ja irgendwie angesagt. Und doch hilft es, seinen persönlichen Handlungsauslöser zu erleben. Zum Beispiel beim Begießen der nachbarlichen Blumen in der Urlaubszeit: Bei Müllers kommt man nur im Seitwärtsgang zu gefühlt dreißig Pflanzenpötten, bei Mayers dagegen: Tisch, Stühle, Gefäß, Orchidee – das war’s. Erstaunlich! Zwei Extreme ganz nah: Messies und Minimalisten.
Und wie sieht es in den eigenen vier Wänden aus? Eigentlich sind wir doch eingeklemmt zwischen zwei Maximen der westlichen Welt:
- „Konsumiere, was das Zeug hält, und versäume bloß keine Spaßangebote!“
- „Befreie dich von dem Übermaß an Dingen und Aktivitäten, bevor es dich erdrückt!“
Warum es jetzt Zeit ist zum Ausmisten
Was hat das mit Cool Aging zu tun? Vielleicht ist es die Erkenntnis: Meine mir verbleibende Lebenszeit ist zu kostbar, um
- Dinge ständig von links nach rechts zu räumen, die ich nicht wirklich brauche
- Frust-, Spontan- und unüberlegte Käufe zu machen
- jeden Hype mitzumachen
- mich mit Leuten zu treffen, die mir nicht wirklich guttun
- mein Leben komplizierter zu gestalten als nötig
Also könnte man anfangen, zuerst seine Haltung und dann seinen Lebensstil ein wenig zu ändern in eine Richtung, für die es Begriffe gibt wie Minimalismus, Downshifting, Simple Living, LOVOS (Lifestyle of Voluntary Simplicity) oder einfach Ausmisten, Entrümpeln, Entmüllen, Loslassen – und zwar Materielles wie Klamotten sowie Immaterielles wie alle Formen der Zeitverschwendung.
Anfänger in Sachen Minimalismus brauchen Willenskraft, Know-how und Geduld.
Willenskraft
Der Wille, etwas loszuwerden, könnte aus der Verneinung folgender Fragen entstehen:
- Brauche ich das wirklich (z. B. die tolle Bluse, die ich in fünf Jahren nie getragen habe)?
- Brauche ich es eines Tages (z. B. die Golfaufrüstung, obwohl schon nach dem ersten Golfkurs die Wirbelsäule protestiert hatte?)
- Hat der Gegenstand wirklich hohen emotionalen Wert oder wollte ich mich von den sentimentalen Erinnerungen nicht längst befreien?
- Ist das ehemals teure Stück wirklich noch von Wert oder ist es nicht doch längst „abgeschrieben“?
- Macht Sie der Besitz des Gegenstandes glücklich? (Das ist eine der zentralen Fragen der Marie-Kondo-Methode – „Does it spark joy?“. Falls nicht und falls es kein notwendiger Gebrauchsgegenstand ist, kann es weg.)
Nehmen Sie sich zunächst die Dinge vor, die Sie am leichtesten entbehren können, und spüren Sie in sich hinein. Wenn Sie sich durch das Loswerden einer Sache gut/befreit/glücklich fühlen und nicht durch das Festhalten daran, fällt das weitere Ausmisten umso leichter.
Know-how
Fangen Sie beim Ausmisten ruhig klein an.
Aufbrauchen
Gewöhnen Sie sich an, Verbrauchbares systematisch aufzubrauchen. Viele Kosmetika oder Lebensmittel nehmen lange Zeit Platz weg – meist griffbereit ganz vorne im Schrank – bis man sie nach Überschreiten des Verfallsdatums schließlich entsorgt.
Machen Sie sich schlau, wie Sie am besten loswerden, was Sie nicht mehr brauchen. Am einfachsten trennt man sich wohl von Sachen, die mehr oder weniger kaputt, irreparabel und jenseits des Verwendungszeitraums oder Haltbarkeitsdatums sind. Aber auch das will gelernt sein.
Wie wegwerfen?
- In einem ersten Schritt kann man sich noch mal genau über die Mülltrennung und das fachgerechte Entsorgen informieren. Portale und Broschüren der örtlichen Entsorgungsbetriebe geben detailliert Auskunft.
- Es muss nicht immer der Betriebshof sein. Auch Fachhändler nehmen kaputte Ware zur hoffentlich fachgerechten Entsorgung zurück.
Was zu schade für den Müll ist, sollte allerdings auch nicht dort landen. Schenken macht Freude und schön ist es, wenn man seine heroische Trennungsarbeit mit ein paar Euro belohnen kann. Für das Verschenken oder Verkaufen gibt es viele Möglichkeiten.
Wie spenden?
- Fragen Sie Freunde und Verwandte, ob sie brauchen, was Sie nicht mehr brauchen.
- Sie können Gegenstände auch mit dem Hinweis „zu verschenken“ vor die Tür stellen.
- Bücher kann man in öffentlichen Bücherschränken unter die Leute bringen. Eine aktuelle Liste der Bücherschränke in den einzelnen Bundesländern finden Sie zum Beispiel auf der Wikipedia-Seite.
- Noch einwandfreie Lebensmittel, die Sie selbst nicht mehr essen möchten, nehmen die Tafeln.
- Gut erhaltene Kleidung und Sachen können Sie spenden. Informieren Sie sich über nahegelegene Hilfseinrichtungen wie Kleiderkammern, Altkleidersammler, Obdachlosenheime, Flüchtlingsheime. Adressen finden Sie über Wohltätigkeitsorganisationen wie Oxfam, Deutsches Rotes Kreuz, Arbeiterwohlfahrt oder Caritas.
- Sozialkaufhäuser nehmen Ihnen ab, was sie weitergeben oder -verkaufen können. Mit diesen Einrichtungen werden auch langzeitarbeitslose Menschen unterstützt. Adressen finden Sie bei Wohltätigkeitsorganisationen oder Adressenportale wie Ortsdienst.
- Auch übers Internet werden ausgemistete Dinge umsonst weitergegeben bzw. verschenkt.
- Verschenken kann man auch über eBay.
Wie verkaufen:
- Der klassische Flohmarkt ist nicht Jedermanns Sache. Aber ein Erlebnis ist er allemal.
- Selbstverständlich können Sie Dinge per Anzeige zum Verkauf anbieten. Wählen Sie das für Sie am besten geeignete Medium: Zeitung, schwarzes Brett im Supermarkt, oder online über eBay Kleinanzeigen. Eine Alternative zu eBay ist das Kleinanzeigen-Portal Quoka.
- Flohmarkt und Anzeigenportal zusammen geht auch: Auf eBay können Sie sogenannte Flohmarktkisten und Konvolute einstellen. Die jeweiligen Käufer hoffen für kleines Geld noch Wertvolles zu ergattern und übernehmen für Sie die Kleinarbeit. Früher nannte man das Trödler.
- Secondhand-Portale wie Kleiderkreisel und Kleiderkorb vermitteln Ihre Kleidung an neue Besitzer.
- Das hat mal viel Geld gekostet? Accessoires und Kleidungsstücke der Designer- und Luxusmarken können Sie in Großstädten über eine Secondhand-Boutique oder von überall aus über die Designer-Secondhand-Plattform Rebelle verkaufen.
- Intakte Bücher, Comics, CDs und DVDs können Sie im großen Stil bei Ankaufportalen wie zum Beispiel Momox loswerden. Gegenstand über die App einscannen, sehen, ob und für wie viel er verkauft werden kann, portofrei versenden. Re-commerce-Unternehmen akzeptieren nicht alles, die Ankaufpreise sind eher niedrig, aber man wird sein Zeug kartonweise los.
Gegen zu viele Besitztümer kann man aber auch vorbeugen. Denn was man nicht hat, muss man nicht loswerden.
Wie vermeiden?
- Schützen Sie sich vor dem „Geschenke-Behalten-Zwang“, indem Sie sich bevorzugt Dinge wünschen, die nicht rumstehen, sondern verbraucht werden: Olivenöl, Tickets, Reise etc.
- Wiederholen Sie Ihr Mantra „Brauche ich das wirklich?“ vor jeder Kaufentscheidung.
- Und wenn Sie doch so gerne shoppen gehen? Kein Problem, wenn Sie für die Neuanschaffung etwas Vorhandenes verkaufen, verschenken oder spenden.
Geduld
Es ist noch kein Minimalist vom Himmel gefallen. Lassen Sie die minimalistische Haltung reifen. Es empfiehlt sich, beim Ausmisten klein anzufangen, aber dann nicht lockerlassen. Mäßig, aber regelmäßig. Wenn Sie sich nach Ihrer Dinge-Diät freier und unabhängiger fühlen, war es höchste Zeit. Sie haben Fertigkeiten im Loslassen gewonnen.
Und was ist sonst noch überflüssig?
Viele Menschen machen dann eine erstaunliche Entdeckung: Nach dem Ausmisten der Wohnung fällt es leichter, sich auch von überflüssigen Aktivitäten zu befreien. Und vielleicht sogar von falschen Freunden und all den sozialen Kontakten, die man nicht braucht und die einem nicht guttun.