Was auch immer Weihnachten für jeden Einzelnen bedeutet, es könnte eine feierliche, fröhliche und sinnstiftende Zeit für Geist und Seele darstellen. Doch wieso ist es jedes Mal so schwierig? Während die Weihnachtsenglein schweben, spüren viele Erdenbürger eine besondere Schwere. Nennen wir sie den Weihnachtsdruck. Genauer gesagt viele kleinere und größere Drücke. Wenn die sich summieren, fühlt man sich in der Weihnachtszeit wie im Dampfkochtopf. Deshalb suchen wir hier nach ein paar Ventilen. Es folgen ein paar Anregungen für coole Weihnachten für Cool Ager.
Der Lebkuchen-Druck
Es beginnt meist im gefühlten Spätsommer. Im Kassenbereich des Supermarkts türmen sich Paletten mit Lebkuchenherzen und Zimtsternen. Als eine merkwürdige Mischung aus nervig und verführerisch hält dieser Zustand die nächsten Wochen an. Das Zuckerschlecken erreicht sein Jahreshoch. Ein Frontalangriff auf Diabetiker und solche, die es nie werden wollen.
Ventile:
- Versuchen Sie den Überblick über Ihren Zuckerkonsum zu behalten. Legen Sie keine großen Vorräte an.
- Damit der Feinste Elisen-Lebkuchen auch zum Fest noch schmeckt, genießen Sie diese saisonalen Leckereien bewusst und in Maßen.
- Sollte das Verlangen nach Süßem in dunkler Abendstunde und bei kalter Außentemperatur größer werden, kann man dieses auch mit zuckersüßen Früchten wie Khaki, Granatapfel und Weintrauben stillen.
Der Deko-Druck
Auch bei der Dekoration übertreffen sich Unternehmen in Handel und Gastronomie gegenseitig mit vorweihnachtlichen Frühstarts. Davon inspiriert könnte man in Versuchung geraten, im Laufe der festlichen Wochen das Zuhause in den vollen Ornat zu stecken. Mehr ist aber nicht immer mehr. Schlimmstenfalls endet die Deko-Sucht im neuen Jahr mit einem Kater beim Anblick von angeschafftem Tand und einem Loch im Geldbeutel.
Ventile:
- Hören Sie auf Ihren Bauch, ob er dekorative Üppigkeit oder Sparsamkeit bevorzugt.
- Setzen Sie sich beim Durchstreifen von Weihnachtsmärkten und Deko-Geschäften ein Kauflimit.
- Achten Sie auf Qualität, um sich alle Jahre wieder an den schönen Stücken erfreuen zu können.
- Sorgen Sie für stimmungsvolle Atmosphäre ohne dicke Luft mit dem richtigen Umgang mit Kerzen.
- Erfreuen Sie sich mal wieder am legendären NDR-Katastrophenort Stenkelfeld, wo zwischen einer einsamen Kerze im Fenster und der Explosion des Kraftwerks nur wenige Ereignisse lagen.
Der Kartenschreibe-Druck
Es ist zweifellos eine schöne Sitte, an Weihnachten Karten zu versenden – wenn man es gerne macht und die Zeit dafür hat.
Ventile:
- Fehlen Ihnen Zeit und Kreativität, freuen sich Freunde und Bekannte sicher auch über ein paar Zeilen per E-Mail.
- Enge Verwandte und Freunde ruft man ohnehin an Weihnachten an.
Der Gewissen-Druck
Der Postkasten quillt über mit Botschaften über Menschen in Not. Andere Menschen haben ganz andere Probleme, als sich an Weihnachten nicht zu streiten oder zuzunehmen.
Ventile:
- Ganz einfach: Wenn es Ihnen möglich ist, spenden Sie etwas.
- Man kann in dieser Zeit Dankbarkeit empfinden, dass es uns besser geht als vielen Menschen auf der Welt.
- Auch denjenigen, denen es in unserem Land nicht so gut geht, können wir Unterstützung zukommen lassen, zum Beispiel durch eine Spende an die Tafeln.
- Selbstverständlich können Sie nicht auf alle Spendenaufrufe eingehen. Wählen Sie aus, welchen Initiativen Sie Vertrauen schenken. Größere Hilfsorganisationen können zum Beispiel ein Spendensiegel tragen. Engagieren Sie sich dafür, was Sie am meisten bewegt. Das kann auch eine Initiative aus Ihrem Umfeld sein. Hilfe wird überall gebraucht: zugunsten von Menschen in weniger privilegierten Ländern, benachteiligten Kindern, Obdachlosen, aber auch Tierschutz mittels Tierheimen, privaten Wildtierhilfen und Rettungsinitiativen sowie der Umwelt.
- Oder Sie nehmen Weihnachten als Anstoß, sich im neuen Jahr selber mit einem Ehrenamt einzubringen.
Der Geschenke-Druck
Der kommerzielle Charakter des Weihnachtsfests in westlichen Industrienationen kann noch so oft kritisiert werden – Geschenke gehören nun mal dazu. Denn Schenken und Beschenktwerden bereiten Freude, vermitteln Wertschätzung und besitzen ganz im Sinne der gebefreudigen Heiligen Drei Könige einen zutiefst weihnachtlichen Charakter. Zugegebenermaßen kann Schenken heutzutage zur Herausforderung werden.
Denn Weihnachten kommt in diesem Zusammenhang immer so plötzlich. Wem, was, wann, wie und woher können in Bezug auf die Geschenke-Beschaffung zu sehr stressigen Fragewörtern werden. Wer braucht schon das Bangen, ob DHL bei 330 Millionen Sendungen im Dezember* das eigene Päckchen noch rechtzeitig bringen kann? Wer übersteht stressfrei das Last-minute-Herumirren auf verstopften Straßen, in besetzen Parkhäusern, überfüllten Bussen und Bahnen und überhitzten Kaufhäusern?
Ventile:
- Auch wenn es schwerfällt – Just-in-time-Beschaffung oder Prokrastination sind hier nicht angesagt. Ob online, im Geschäft oder Kreationen aus eigener Werkstatt oder Küche – besorgen, erstellen und verpacken Sie alles frühzeitig und in Ruhe.
- Könner haben das ganze Jahr über eine Weihnachtantenne ausgefahren und notieren die in Kommunikation und Zusammensein aufgefangenen Geschenk-Ideen (die auch anlässlich eines Geburtstags äußerst nützlich werden können).
- Lassen Sie den Enkelkindern vom Christkind/Weihnachtsmann ausrichten, dass sie dieses Jahr ihren Wunschzettel so früh wie möglich abliefern müssen.
Der Schnäppchen-Druck
Das Zeitalter der Black Fridays und Weihnachtsrabatte ist angebrochen. Es scheint, als stünde die Warenwelt unter einem riesigen Prozentzeichen, das sie uns pausenlos per Post, E-Mails und großen Schildern kundtut. Preisnachlässe sind Bestandteile der Marketing-Kunst und einer Gesamtkalkulation. Von dynamischen hohen Ausgangspreisen kann man zum Beispiel gut etwas abstreichen.
Wer kennt es nicht? Man kauft etwas eigentlich nur, weil es heruntersetzt war. Nach dem Abbau des Kaufrausch-Hormons schwindet die Begeisterung über den Neuzugang drastisch.
Ventile:
- Lassen Sie die Großhirnrinde über das Stammhirn herrschen.
- Fragen Sie sich mindestens dreimal, ob Sie den reduzierten Gegenstand wirklich brauchen. Ist die Antwort Ja, Ja, Ja, fragen Sie noch dreimal.
Der Lebensmittel-Druck
Große Feste haben alle Völker zu allen Zeiten mit großem Essen begangen. Bis heute wird weltweit an Weihnachten in mehr oder weniger großen Kreis gegessen und getrunken, meist mehrgängig. Wer das gewohnt ist und Spaß daran hat, genießt das Bewirten und Gastgeben. Wer darin nicht geübt ist oder nicht so gerne kocht, hat jedes Jahr Stress. Ein Festessen muss man erst mal hinkriegen; nicht umsonst ist Kochen eine Passion beziehungsweise Koch oder Köchin ein Ausbildungsberuf.
Ventile:
- Logistik ist alles. Machen Sie frühzeitig einen Plan. Welche und wie viel Lebensmittel brauchen Sie, wo bekommen Sie es, wann haben Sie Zeit einzukaufen, wieviel Zeit und Raum benötigt die Zubereitung?
- Weihnachten ist keine Zeit für Fastfood. Entdecken Sie jedoch den Charme von Tiefkühlkost und Vorgekochtem. Die Online- und Print-Medien sind voll von Tipps zur praktikablen Weihnachtsfütterung von Schleckermäulern.
- Informieren Sie sich rechtzeitig über die Essgewohnheiten Ihrer Gäste. Der waidwunde Blick eines vergessenen Vegetariers oder Veganers kann beschämen und wehtun. Falls Sie wiederum ein pflanzliches Menu servieren, kündigen Sie es den Traditions-Essern in appetitanregenden Worten an. Tragen Sie es mit toleranter Würde, wenn jemand dennoch Würstchen mitbringt.
- Machen Sie keine allzu großen Experimente, sondern bauen Sie auf Ihre Erfahrung mit Ihren bevorzugten Lebensmitteln und Gerichten.
- Brechen Sie allerdings mit Gewohnheiten, die sich im Laufe der Jahre vielleicht überholt haben. Die Weihnachtsgans könnte so ein Ritual sein – zu fett, zu aufwendig, zu anstrengend.
- Stresslindernd kann auch gemeinsames Kochen mit einigen Helfer/innen sein. Klären Sie allerdings vorher, wer die leitende Funktion einnimmt.
- Sie möchten als Gastgebende(r) ohne Ausflüge in die Küche am Tisch sitzen und gemütlich satt werden? Da helfen nur die Klassiker: Raclette, Fondue, Feuertopf.
- Kaufen Sie nicht zu viele Lebensmittel ein, die dann unbedingt alle verarbeitet werden müssen. Zelebrieren Sie lieber an einem der Festtage ein Reste-Essen.
- Sie möchten Ihre Lieben um Ihren Tisch versammeln, fühlen sich aber nicht (mehr) so gastgeberfit? Jeder Gast könnte je nach eigenen Kochvermögen einen vorbereiteten Menu-Gang mitbringen.
- Eine Alternative zum dreitägigen Kochfestival: Schenken Sie sich gegenseitig einen Besuch im Restaurant. Viele Betriebe haben an den Feiertagen geöffnet.
Der Gemeinsamkeit-Druck
Seit unserer Kindheit hat sich viel verändert. Es scheint, als könne man inzwischen an Weihnachten mit allen möglichen Traditionen brechen – lässig feiern ohne Rituale, Baum oder Christmette, Geschenke abschaffen etc. Nur eines ist und bleibt das große Tabu für die Gesellschaft und meist auch für die eigene Psyche: Alleinsein an Weihnachten geht gar nicht. Dabei ist gerade dies für viele ältere Menschen die größte Herausforderung. Sie leben vielleicht allein, Kinder und Enkel können oder wollen nicht kommen, Freunde und Bekannte sind bei ihren eigenen Familien. In dem Glückliche-Familien-unterm-Baum-Hype kann leicht das Gefühl der Einsamkeit aufkommen oder sich unerträglich verstärken.
Ventile:
- Verschweigen Sie in Ihrem Umfeld nicht, dass Sie an Weihnachten allein sind. Vielleicht finden Sie durch Ihre Offenheit andere Weihnachts-Singles, die wie Sie ein paar Stunden gemeinsam verbringen möchten.
- Ist Ihnen ein Zusammensein mit Fremden auf jeden Fall lieber als die Gesellschaft des Fernsehers? Dann kommt vielleicht eine der vielen Initiativen infrage, die Vermittlungsarbeit leisten, zum Beispiel die Aktion der evangelischen Kirche Deutschland „Keiner bleibt allein“. Hier werden die sozialen Medien genutzt, um Menschen zusammenzubringen, weil sie es wollen. Das klingt auch nach einer guten Alternative zu Pflichtbesuchen bockloser Patenkinder und Ähnlichem.
- Es gibt Familien, die an Heiligabend einen alleinstehenden Menschen zum Mitfeiern einladen. Man sollte allerdings bedenken, dass man sich im Familienglück anderer womöglich erst recht einsam fühlen könnte.
- Wer sich fit und unabhängig genug fühlt, kann auch über Weihnachten verreisen. Die richtige Wahl aus dem Angebot entsprechender Reiseangebote könnte Ihnen ganz neue Perspektiven auf diese besondere Zeit eröffnen.
- Man kann versuchen, dem gesellschaftlichen Diktat der Gemeinsamkeit eine andere Geisteshaltung entgegenzusetzen. Einsamkeit ist ein sehr verletzendes Gefühl, doch Alleinsein ist zunächst einmal nur ein Fakt. Machen Sie sich bewusst, dass es weder ein Scheitern noch eine Schande ist, Weihnachten allein zu verbringen. Denken Sie lieber daran, dass auch die anderen nicht unbedingt glücklich sind und Sie Heiligabend und die Feiertage nach Ihrem Gusto gestalten können. Außerdem sind ältere Menschen mit dem Alleinsein durchaus nicht allein. Auch viele Jüngere verbringen aus den unterschiedlichsten Gründen den Heiligabend ohne Gesellschaft.
- Von einem raten Psychologen jedoch ab: Weihnachten einfach zu ignorieren, nach dem Motto „Irgendwann ist es vorbei“.
- Im Gegenteil: Bereiten Sie alles vor für ein schönes Fest mit Aktivitäten, die Sie mögen. Schmücken Sie Ihr Zuhause, wenn Sie es nicht schon im Advent getan haben. Machen Sie einen Spaziergang. Wenn Sie mögen, besuchen Sie einen Gottesdienst und schauen eventuell auf einer offenen Feier der Kirche, eines Sozialverbandes oder einer Kulturveranstaltung vorbei. Doch der Weihnachtsabend gehört Ihnen: Essen Sie etwas Feines, schenken Sie sich etwas, hören Sie Ihre Lieblingsmusik, lesen Sie ein Buch oder schauen Sie einen schönen Film. Mit anderen Worten: Leben Sie die Besinnlichkeit, die einem zu Weihnachten immer gewünscht wird.
- Falls allen Bemühungen zum Trotz Gefühle der Traurigkeit und Einsamkeit aufkommen, sollte man sich nicht scheuen, ein Gespräch mit einem Mitarbeiter der Telefonseelsorge zu führen. Auch engagierte Menschen in regionalen Initiativen wie Silbernetz in Berlin stehen für ein Telefongespräch zur Verfügung.
- Wer wiederum selber die Kompetenz zum Trösten und Helfen hat, kann seinen Weihnachtsabend ehrenamtlich als Helfer am Telefon oder in einem Heim verbringen.
Der Friede-Freude-Eierkuchen-Druck
Gerade die vermeintlich so erstrebenswerte Familienrunde zählt zu einem der Weihnachts-Hauptprobleme. Zum Fest treffen oft Menschen zusammen, die zwar verwandt, aber sich nicht immer grün sind. Gegenseitig nennt man sich die „liebe Verwandtschaft“. Doch auch bei denen, die während des restlichen Jahres leidlich miteinander auskommen, wird das Fest der Barmherzigkeit und Liebe oft zum Anlass für Streit und Eskalation. Jung trifft auf Alt, Stress liegt in der Luft, Fettnäpfe stehen herum und alte Konflikthemen tauchen wieder auf.
Ventile:
- Es gibt Hinweise, dass ein gemeinsamer Kirchgang alle Familienmitglieder unabhängig von ihrer persönlichen Frömmigkeit etwas friedlicher macht.
- Alles eine Frage der Kommunikation. Ankündigungen, Begründungen und Kompromissvorschläge können das Fest der Familie, der Liebe und des Friedens als solches bewahren.
- In Vorab-Gesprächen sollten potentielle Konfliktpunkte geklärt werden. Die Gastgeber können ihre Vorstellungen erläutern und nach dem Einverständnis fragen.
- Streben Sie ein gewisses Maß an Konsens an, zum Beispiel über den Ablauf und Ausgestaltung des Abends – Essen, Bescherung mit gemeinsamem Singen und geordnetem Auspacken samt Danke und Aufräumen.
- Ziel ist es, dass die jeweilige Erwartungshaltung der Feiernden nicht allzu sehr enttäuscht wird.
- Auch heikle Themen sollten im Vorfeld angesprochen werden. Zum Beispiel, welches Maß an erzieherischen Eingriffen man sich von den Eltern aufgekratzter Enkel erhofft.
Der Enkelglück-Druck
Kinderaugen vor dem Weihnachtsbaum sollen glänzen. Vor Freude und nicht durch Tränen. Dies ist erste familiäre Weihnachtspflicht.
Ventile:
- Siehe Friede-Freude-Eierkuchen-Druck. Vermeiden Sie Streit und Unfrieden.
- Siehe Geschenke-Druck. Fordern Sie frühzeitig einen Wunschzettel an. Die beste Methode, um mit den Geschenken für die Kleinen richtig zu liegen.
Vielleicht hilft der eine oder andere Tipp dabei, etwas Druck abzulassen. In diesem Sinne: Unbeschwerte, fröhliche Weihnachten!
*Schätzung 2018
1 Kommentar
Wow! Das sind ja irre umfassende Tipps. Gott sei Dank haben wir in unserer keine Weihnachtsschwierigkeiten und die Geschenke sind alle schon verpackt! Klasse gemacht und ich denke, dass das diese Ideen eine gute Hilfe sein können!