Der Frühling und seine Geheimnisse

Der Frühling beginnt und mit ihm so manche wissenschaftlich fundierte Poesie:

  • „Er ist’s! Frühling lässt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte …“ (Eduard Mörike über Erdrotation)
  • „Veronika, der Lenz ist da, die Mädchen singen trallala …“ (Walter Murmann über Hormone)
  • „Alle Vögel sind schon da, alle Vögel, alle … Frühling will nun einmarschiern, kommt mit Sang und Schalle …“ (Hoffmann von Fallersleben über Artenvielfalt)

Man muss kein Dichter sein, um vom Frühlingsfieber erfasst zu werden. Wir wollen raus, wir sind glücklich und manchmal schlapp. Der Frühling macht was mit uns. Welche Kräfte sind da am Werk?

Er ist’s: Frühlingserwachen

Den Frühling gibt es, weil die Erde schief steht. Während unser Planet mit seiner schrägen Achse im Laufe eines Jahres um die Sonne rotiert, ist es mal auf der oberen Halbkugel wärmer und heller, mal auf der unteren. Je nachdem, welche Erdhälfte sich in welcher Position zur Sonne befindet, fallen die Sonnenstrahlen während der 24stündigen Achsdrehung länger und steiler ein oder eben kürzer und flacher. So entstehen die Jahreszeiten. Während in Südafrika Herbst ist, ist bei uns Frühling.

Drehte sich eine kerzengerade Erde um die Sonne, gäbe es bei uns wie in den Tropen langweiligerweise keine Jahreszeiten.

Frühling
Veronika, der Lenz ist da: Frühlingsgefühle

Der Mensch wird im Frühling von hormonellen Schwankungen heimgesucht. Da tut sich was in der Zirbeldrüse. Das Mehr an Tageslicht unterdrückt die Produktion des Schlafhormons Melatonin. Stattdessen pulst dessen Gegenspieler, das Glückshormon Serotonin, vermehrt durchs Blut. Licht vertreibt winterliche Schwermut.

Nicht nur die Sonnenstunden lassen die Psyche abheben. Wir freuen uns an Farben und Düften der sprießenden Natur, Sinneseindrücken, die im Stammhirn von klein auf als positiv eingespeichert sind.

Und das Lächeln frühjahrsbeglückter Mitmenschen fördert ein Stimmungshoch auf sozialer Basis. Hygge ist nicht nur der Plausch am Kaminfeuer, sondern auch das gemeinsame Genießen im frischen Grün.

Frühjahrsmüdigkeit: Sferics im April

Paradoxerweise gibt es im Frühling dennoch Klagen. Manche Menschen fühlen sich schlapp, wenn der Winter auszieht, und leiden unter Kopfschmerzen, wenn andere Bäume ausreißen könnten. Frühlingsleid kann verschiedenen Ursachen haben.

  • Frühjahrsmüdigkeit entsteht nach Expertenansicht vornehmlich durch sinkenden Blutdruck, da sich der Körper auf die höheren Temperaturen mit erweiterten Blutgefäßen umstellt.
  • Wetterfühlige können unter den April–macht-was-er-will-Luftdruckschwankungen leiden.
  • Im Verdacht, frühjahrstypische Unpässlichkeit hervorzurufen, stehen auch impulshafte elektromagnetische Wellenpakete der Erdatmosphäre, die bevorzugt bei Gewitterlagen, aber auch im Frühjahr auftreten. Brummt der Schädel, haben – wissenschaftlich noch hypothetisch – die Sferics zugeschlagen.
Frühjahrsboten: phänomenal phämonologisch

Meteorologisch beginnt bei uns der Frühling am 1. März, astronomisch am 20. März mit dem schönen Wort „Frühlingstagundnachtgleiche“. Soweit die Theorie. Doch die Natur hält sich nicht unbedingt an Kalendertage.

Erst die phänologische Jahreszeit zeigt, was frühlingsmäßig gerade Sache ist. Mit entsprechenden Erkenntnissen für Landwirte, Umweltschützer und Klimaforscher. Leider wahr: Der Frühling kommt – über den Zeitraum der letzten Jahrzehnte betrachtet – immer früher, was nach dem Stand der Forschung auf den Klimawandel zurückzuführen ist.

Phänologisch besteht der Frühling aus drei Phasen:

  • Vorfrühling
  • Erstfrühling
  • Vollfrühling

Welche Frühlingsphase gerade herrscht, bestimmen die sogenannten Zeigerpflanzen.

  • Den Aufbruch signalisieren absolute Vorboten wie Schneeglöckchen, Haselnussbaumblüten, Weidenblüten.
  • Hüllt sich die Forsythe in Gelb und folgen die Blüten an Süßkirsch- und Birnbaum, sind wir im ersten Frühling.
  • Blühen schließlich Apfelbaum und Flieder, ist der Frühling „voll“ da.
Frühling

Ein eher marktwirtschaftlich orientiertes Eigenleben führt der Frühling im Supermarkt. Nachdem uns die Januartulpen kurz nach der Weihnachtszeit noch etwas irritiert haben, erlösen wir grüne Narzissenstängel erwartungsvoll von ihrem Karton-Dasein und erleben immer wieder gern das in der heimischen Vase erblühende gelbe Frühlingswunder.

Tierisch früh

Als phänologische Indikatoren, sprich Frühlingsboten, dienen neben den Zeigerpflanzen bestimmte Tiere beziehungsweise deren Verhalten.

  • Hummeln sind schon bei Temperaturen knapp über null Grad Celsius flugfähig. Es sind die Königinnen in spe, die im Boden den Winter überleben und im Früh-Frühling Pollen für sich und eine Behausung für ihr künftiges Hummelvolk suchen. Künftige Bienenköniginnen machen sich ein wenig später auf den Weg, da sie für ihre Jungfernflüge etwas höhere Temperaturen benötigen.
  • Auch Zitronenfalter können überwintern und erfreuen uns früh im Jahr mit zartgelben Flügelschlägen.
  • Die Zugvögel treffen ein, und zwar zunächst Nachtigallen, Rauchschwalben, Stare. Wenn der Kuckuck ruft, klingt es sehr nach Frühling, und wenn die Mauersegler um die Häuser sausen, dürfen wir den Schal endgültig einmotten.
Alle Vögel sind schon da. Oder auch nicht.

Viele Menschen haben das Gefühl, dass der Frühling in der Vergangenheit zwar später, aber mit mehr Fauna kam. Der Eindruck täuscht nicht. Es gibt zahlreiche Studien zum Insektenrückgang. Auch bestimmte Vogelarten treten seltener auf. Was könnte man als einzelne(r) tun? Einige Vorschläge:

  • Insektenhotels an der Balkonwand anbringen
  • Insektenfreundliche Blütenmischungen in die Balkonkästen pflanzen
  • Nistkästen für Vögel im Garten annageln
  • Im Garten für möglichst große Blütenvielfalt sorgen
  • Gartenflächen weder schottern noch anderweitig versiegeln
  • Initiativen für Naturschutz unterstützen
Frühling

Im Spannungsfeld von industrieller Landwirtschaft und Ökologie hat das Bundesamt für Naturschutz auf die beobachteten Veränderungen mit Forschungsförderung und Initiativen für Insektenschutz und Biodiversität reagiert. Auch Organisationen wie der BUND informieren darüber, wie man Insekten helfen kann.

Wird der Frühling stumm?

Bereits in den Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts kam durch die Weitsicht der amerikanischen Wissenschaftlerin Rachel Carson ein Horrorszenario in die Welt: Der stumme Frühling. So heißt ihr Buch, das als eines der Fundamente der ökologischen Bewegung gilt. Carson hat vor allem den übermäßigen Einsatz von Pestiziden angeprangert, was schließlich zum Verbot des Mittels DDT führte. Leider hat ihre Warnung vor dem stummen Frühling nichts an Brisanz verloren.

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