Vogelgesang – der beste Wecker in der Corona-Stille

Der Tag beginnt, aber in der Corona-Zeit hört man es nicht. Statt Auto- und Flugzeugmotoren dröhnt unheimliche Stille. Zum Glück gibt es noch Krachmacher, auf die Verlass ist. Jetzt besonders gut zu vernehmen: Vogelgesang. Die gefiederten Liedermacher halten sich morgens an einen genauen Plan und erfreuen uns mit der schönen Gewissheit: Hier ist die neue Normalität noch ganz die alte.

Schon ab dem Vorfrühling gerät das Vogelmännchen in hormonelle Wallung und bringt dies lautstark zum Ausdruck. Zwar schmettern Rotkehlchen sowohl im Winter als auch mitten in der Nacht, was das rote Kehlchen hergibt, doch ist es das Schau-Singen im Frühjahr, bei dem uns die gesamte Vogelschar zu Ohren kommt. Zu den Überwinterern Meise, Amsel, Buchfink, Zaunkönig und eben Rotkehlchen gesellen sich nach und nach Heimkehrer wie Star, Zilpzalp, Hausrotschwanz und Gartenrotschwanz.

Letzterer ist beim Morgenkonzert der erste. Dies verrät uns eine animierte Vogeluhr, die der Naturschutzbund (NABU) auf seiner Webseite für interessierte Mithörer entworfen hat. Jede Vogelart hat nämlich ihren individuellen Einsatz, der sich nach dem Sonnenaufgang richtet.

Vogelgesang
Der beste Sänger kriegt es: Gartenrotschwanzweibchen

Wer mithören will, kann Ausschlafen vergessen. Mit 80 Minuten Vorlauf zwitschert der Gartenrotschwanz noch ziemlich im Dunkeln. Bei der gesangsstarken Amsel (45 Minuten) dämmert es bereits, vorher hatten Hausrotschwanz, Rauchschwalbe, Singdrossel und Kuckuck Auftrittsbeginn.

Am Schlagzeug: Buntspecht

Das Kohlmeisenmännchen stimmt eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang sein Lied an, der Fitis nimmt es offenbar ganz genau mit 22 Minuten, gefolgt vom Star (15 Minuten), und bei den Finken ist es dann so gut wie hell. Für den nötigen Beat sorgt mit etwas Verspätung noch der Buntspecht, der zu Flirtzwecken hochmotiviert auf Äste und Stämme einhämmert.

Bühnen für den Wettstreit um den schönsten Vogelgesang sind meist Baumkronen und Dachgiebel, von denen sich der Schall besonders weit verbreiten kann.

Gute Sänger sollten auch bauen können

Schlag bei den Vogelfrauen hat nicht nur, wer am besten singen kann, sondern auch Immobilienbesitzer, die nach fleißiger Vorarbeit einige Nester zur Auswahl anbieten können. Solchen Verrichtungen und der Suche nach Futter widmet sich die Vogelschar wieder, wenn das Morgenkonzert nach Tagesanbruch allmählich ausklingt. Dann heißt es für uns erneut: Stille aushalten.

Vogelgesang
Noch 40 Minuten bis Sonnenaufgang: Auftritt Zaunkönig

Und wer genau singt sich gerade in den Morgen hinein? In der Dämmerung helfen Augen und Fernglas nicht weiter, sondern etwas Know-how im Erkennen von Vogelstimmen. Das kann man sich im Internet und in Apps aneignen. Der NABU beispielsweise bietet Hörproben zu jeder Vogelbeschreibung auf der Webseite, in seiner kostenlosen App Vogelwelt muss man die Gesangbeispiele leider dazukaufen (Stand: Juli 2021). Oder Sie halten Ihr Smartphone in den Vogelgesangsschall und machen eine Aufnahme. Dabei sind freilich Solisten leichter zu erkennen, wenn sie nicht vom Chor zuggezwitschert werden. Zu den Apps, die die passende Vogelart zu Ihrem Soundclip identifizieren, gehören BirdNET (kostenfrei) und Zwitschomat.

Raus zum Vogelzählen

Neben dem Erlauschen des stimmgewaltigen Vogelfrühlings bieten die natur-systemrelevanten Mitgeschöpfe eine weitere schöne Beschäftigung (nicht nur) in Corona-Zeiten. Alljährlich fordert der NABU Vogelliebhaber auf, bei der Zählung der 15 häufigsten Gartenvogelarten in unseren Verbreitungsgebieten mitzumachen.

Wer Lust hat, kann innerhalb eines vom NABU definierten Zeitraums im Garten oder Park (mit Corona-Abstand) eine Stunde lang Meisen, Finken und Co. zählen. Eine Anleitung, wie man derart unstete Beobachtungsobjekte erfassen kann, und eine Protokoll-Vorlage zum Vermeiden von Mehrfachzählungen findet man auf der NABU-Homepage. Im Jahr 2019 hatten über 76.000 Teilnehmer etwa 1,7 Millionen Vögel registriert.

Vogelgesang
Vorstellungsbeginn 45 Minuten vor Sonnenaufgang: Amselmännchen

So kann man als Freizeit-Ornithologe zur langfristigen Bestandsaufnahme heimischer Vögel beitragen. Die Trends der letzten 13 Jahre: Haus- und Feldsperling stehen ganz gut da, die früher allgegenwärtigen Amseln sind regional dezimiert und mit Mauerseglern und Schwalben geht es bergab.

Da freut man sich umso mehr, wenn man ihnen in der Morgenstille der Viruskrise zuhören kann.

Quellen: Naturschutzbund (NABU) Deutschland, NABU Baden-Württemberg, Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV)

Bei den Personenbezeichnungen im generischen Maskulinum dürfen sich wie immer alle Geschlechter angesprochen fühlen.

1 Kommentar

und wer mitten in der Nacht von zartem, abwechslungsreichem Gesang geweckt wird, der hat vielleicht das seltene Glück, eine männliche Nachtigall vor dem Fenster zu hören – hoffentlich wird sie nicht bald ein Raub der Nachbarskatze!

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