Stress, oder was? Wie man mit Maske kommuniziert

Botoxen ist jetzt wirklich nicht angesagt. Denn noch nie war sie so wertvoll wie heute: die Lachfalte. Sie ist im Wesentlichen, was uns von der Mimik bleibt, wenn wir unter unserer Maske über Mund und Nase nicht als potentielle Räuber, gewaltbereite Demonstranten, Hooligans oder einfach nur unfreundliche Zeitgenossen rüberkommen wollen. Wie bloß transportiert man Emotionen mit einem halben Gesicht?

Bei menschlichen Botschaften überwiegt der nicht sprachliche Anteil. „Man kann nicht nicht kommunizieren“, hat der Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick grundsätzlich klargemacht. Selbst wenn man nur so dasteht: Immer übermitteln nonverbale Ausdrucksformen Gefühle oder Einstellungen. Nonverbale Zeichen interpretieren aber auch das Gesagte. Daher nutzen wir so gerne die vielen Emojis beim elektronischen Chat.

Basisemotionen nach Paul Ekman

Im wahren Leben ist das Emoji unser Körper, vor allem aber das Gesicht. Nicht umsonst heißt es: Die Freude, Wut, Angst, der Ekel, die Trauer, die Überraschung, Verachtung ist ihm oder ihr ins Gesicht geschrieben. Das sind die sieben weltweiten Basisemotionen nach dem Psychologen Paul Ekman, andere zählen noch Neugier, Scham und Schuld dazu. Nach Ekmans Facial Action Coding System kann man die emotionalen Botschaften in der Mimik entschlüsseln. Gesichtlesevirtuosen entdecken sogar Mikroexpressionen, die direkt aus dem limbischen System vorbei an der Großhirnkontrolle flitzen. Das Gesicht eines Lügners verrät so in einer Nanosekunde die Wahrheit.

Maske

Nützt alles nichts bei Maskenpflicht. Nun gut, die Wahl des Designs sagt ein bisschen was Grundsätzliches aus, je nach Stoff, Motiv und Farbe zum Beispiel „Ich identifiziere mich mit meinem Verein/meiner Firma“, „Ich bin stylish“, „Ich bin ein Witzbold.“ Oder auch nur „Ich bin humorlos und will das Ding bei 90 Grad waschen können.“ Aber das wars auch schon, ansonsten bleibt ein halbes Pokerface.

Bis auf die Lachfalten. Emo-Botschaft Nummer eins ist das Lächeln, und das ist auch gut so. Nicht nur Verhaltensforscher Irenäus Eibl-Eibesfeldt hielt das Lächeln für fundamental: „Mit dieser angeborenen Verhaltensweise sind wir in der Lage, uns mit völlig Unbekannten anzufreunden.“ Dass uns Maskenbehüllten dafür die Mundwinkel nichts nützen und nur noch die Augen bleiben, bringt auch etwas Interessantes zutage. Denn Lächeln ist nicht gleich Lächeln.

Duchenne-Lächeln versus soziales Lächeln

Das Lächeln, das ehrliche Freude und Gutwilligkeit verrät, heißt Duchenne-Lächeln. Wie der französische Physiologe Guillaume-Benjamin Duchenne bereits 1862 herausgefunden hat, wird bei der authentischen Empfindung der große Jochbeinmuskel bewegt. Die Devise ist frei nach Humphrey Bogart: Lach auch um die Augen, Kleines.

Geborene Falschlächler

Bewegt sich in der oberen Gesichtshälfte nichts, handelt es sich um soziales Lächeln. Dabei lächelt man, ohne es wirklich zu meinen, womit man insbesondere Fotografen richtig nerven kann. Wie das echte Lächeln ist auch das gefälschte in allen Kulturen verständlich und jedem Menschen angeboren. Letzteres hat man bei der Olympiade herausgefunden. Die blödeste Art zu verlieren ist der zweite oder dritte Platz. Unglückliche Nur-Silber- oder -Bronzemedaillengewinner lächelten bei der Siegerehrung ohne obere Lachmuskeln. So geschah es aber auch bei den Paralympics: Nicht-Gold-Gewinner lächelten das soziale Lächeln, obwohl sie von Geburt an blind waren, es sich also niemals hatten abgucken können.

Immerhin zeigt der soziale Lächler mit der Aktivierung der Mundwinkel seinen guten Willen, freundlich und umgänglich zu erscheinen. Nur sieht es in Maskenzeiten keiner. Doch auch das echte Duchenne-Lächeln kommt nicht mehr rüber, wenn der gepriesene räumliche Abstand zu groß oder die Brille zu dunkel ist. Die Mutter aller nonverbaler Kommunikation, das menschliche Mienenspiel, ist praktisch perdu.

Menschen, die auf Menschen starren

Was bleibt, um Missverständnisse und Konflikte zu vermeiden? Ein Vorschlag wäre, sich etwas länger in die Augen zu schauen, um darin die Befindlichkeit des anderen abzulesen. Das hat allerdings einen Haken. So haben mehrere Studien ergeben, dass bei Erstbegegnungen der Blickkontakt höchstens 3,3 Sekunden dauern darf. Wird weiter gestarrt, entsteht ein stressiges Gewirr aus Einschüchterung, Übergriffigkeit, Irritation und Empörung. Wer will von seinem Gegenüber schon fixiert werden wie vom Mafia-Boss Michael Corleone?

Stirngespinste

Falls nicht von Käppi oder Mütze verdeckt, wäre da noch die Stirn. Ist sie entspannt, ist dies grundsätzlich ein positives Zeichen zum Beispiel von Interesse oder Aufgeschlossenheit. Mit kräftiger Kontraktion der Glabellafalte zwischen den Augenbrauen hingegen ließe sich deutlich machen, dass man sauer oder wütend ist. Doch Achtung: Manche Menschen kneifen die Zornesfalte zusammen, wenn sie extrem konzentriert sind.

Legt sich die Stirn quer, womöglich in Verbindung mit hochgezogenen Augenbrauen, ist der Halbgesichtige möglicherweise ziemlich skeptisch. Man rechne also mit Widerspruch. Andererseits könnte der Stirnrunzler nur überrascht sein. Mit offenem Ausgang je nach Art der Überraschung.

Bleib. Mir. Vom. Leib.

Wenn das Gesicht keine klaren Emotionsnachrichten sendet, könnte man auf die Körpersprache achten. Was bringt das aber, wenn erst mal jeder zurückweicht, um den Corona-Abstand zu wahren? Gelernt ist dieses Ausweichmanöver als nonverbales „Ich kann Dich nicht riechen“, „Ich traue Dir nicht“ oder „Ich mag dich nicht“. Mit der Maske ist das Bleib-mir-vom-Leib-Verhalten nicht mal durch ein entschuldigendes oder verlegenes Lächeln abzumildern. Selbst wenn alle wissen, dass das Abrücken in einer Pandemie nicht persönlich oder gar böse gemeint ist, dient es dennoch nicht gerade der freundlichen Verständigung.

Lächeln versteht jeder, Gestik jeder anders

Bliebe noch die Gestik. Hier muss man allerdings darauf achten, aus welchem Kulturkreis das Gegenüber kommt. Mit einem aufmunternden Daumen hoch wird die Stimmung doch gleich besser, oder? Nicht für den Australier, der noch nicht lange in Nordeuropa lebt. Beim ihm zuhause bedeutet es Zisch ab!. Der Kreis aus Daumen und Zeigefinger vermittelt in vielen Kulturen etwas Positives wie perfekt, alles okay oder exquisit. Doch Vorsicht! Für manche Menschen unserer multikulturellen Gesellschaft ist diese Geste eine üble Beschimpfung, die mit der Andeutung einer bestimmten Körperöffnung am Hinterteil zu tun hat.

Maske

Mit Händen und Füßen zu reden ist generell nicht ratsam, da dies eher als Zeichen von Unsicherheit und Unsachlichkeit gilt. Mehr Ruhe signalisiert da die Fingerraute vor dem Körper, die allerdings schon von oberster Regierungsstelle besetzt ist. Eine nur scheinbar harmlose Geste ist es, mit den Händen ein spitzes Dach zu formen und dieses im Gespräch auf den anderen zu richten. Verstanden wird dies schlimmstenfalls als üble Mischung aus Rechthaberei und Herabwürdigung.

Gut kommen in der Regel offene Handflächen und Arme an.

Aber was soll’s. Wenn wir zurzeit nonverbal sprachlos sind, sollten wir vielleicht immer gleich losreden. Und zwar mit freundlicher warmer Stimme und wohlüberlegten Worten. Das Lächeln ohne Gesichtsmuskulatur ist der Small Talk.

Ironie mit Sprengkraft

Menschliche Kommunikation ist ja schon ohne Maske kompliziert genug. Der Klassiker zur Vermeidung von Missverständnissen ist die Metakommunikation, die Kommunikation über Kommunikation. Nach Paul Watzlawick hat jede Botschaft eine Inhalts- und eine Beziehungsebene. Zur letzteren gehört auch der Gesichtsausdruck. Da der nun wegfällt, muss eben auch ausgesprochen werden, wie etwas gemeint ist oder dass man den anderen grundsätzlich nett findet. Vor allem Ironie bedarf deutlicher Aufklärung. Wer als Maskenmensch einem anderen Platz macht mit einem jovialen Damit Sie da jetzt auch durchpassen darf gleich ein Scherz, Scherz, Scherz dazusagen. So ungefähr.

Wo wir von der neuen Normalität noch verschont sind, ist im Auto. Auf das ganze Rätselraten aufgrund der Gesichtsverhüllung lässt sich die Straßenverkehrsordnung auch in Corona-Zeiten nicht ein. Der Autofahrer gilt mit Maske als vermummt, was verboten ist. Also einsteigen und Maske runter – ob man lächelt oder nicht, ist dem Blitzer vollkommen egal.

English Version

Don’t panic! How to communicate with mask

Botoxing is really not the way to go right now. Because never before has it been as valuable as today: the laugh line. It is essentially what remains of the facial expression when we don’t want to appear as potential robbers, violent demonstrators, hooligans or simply unfriendly contemporaries under our mask over mouth and nose. How do you transport emotions with half a face?

In human messages, the nonverbal part is predominant. „You can’t not communicate“, the communication scientist Paul Watzlawick generally made clear. Even if you just stand there – nonverbal expressions always convey feelings or attitudes. But nonverbal signs also interpret what is said. This is why we like to use the many emojis in electronic chat.

Basic emotions according to Paul Ekman

In real life the emoji is our body, but most of all it is the face. We say that the joy, anger, fear, disgust, sadness, surprise, contempt is written on someone’s face. These are the seven worldwide basic emotions according to the psychologist Paul Ekman, others still include curiosity, shame and guilt. According to Ekman’s Facial Action Coding System, the emotional messages can be decoded in facial expressions. Face-reading virtuosos even discover micro-expressions that flash directly from the limbic system past the cerebral control. The face of a liar thus reveals the truth in a nanosecond.

None of this is of any use with masks on. Well, the choice of design says something basic, depending on the fabric, motif and colour, for example „I identify with my club/company“, „I am stylish“, „I am funny“. Or even „I’m humourless and I want to be able to wash this thing at 90 degrees.“ But that’s it, otherwise you’ve got half a poker face.

Except for the laugh lines. Emo message number one is the smile, and that’s a good thing. Not only behavioural scientist Irenäus Eibl-Eibesfeldt considered the smile fundamental: „With this innate behaviour we are able to make friends with complete strangers.“ The fact that the corners of our mouths are of no use to us when we wear masks and only our eyes remain, brings something interesting to light. Because smiles are not just smiles.

Duchenne smile versus social smile

The smile that reveals honest joy and good will is called Duchenne smile. As the French physiologist Guillaume-Benjamin Duchenne found out as early as 1862, authentic feeling moves the large zygomatic muscle.

Born False Smilers

If nothing moves in the upper half of the face, it is a social smile. You smile without really meaning it, which can be a real pain in the neck especially for photographers. Like the real smile, the fake smile is understandable in all cultures and is innate in every human being. The latter has been found out during the Olympics. The stupidest way to lose is to come second or third. Unlucky silver or bronze medal winners smiled without upper laughing muscles at the award ceremony. But that’s also what happened at the Paralympics: Non-gold medalists smiled the social smile, even though they were blind from birth, so they had never had a chance to learn it.

After all, by activating the corners of the mouth, the social smiler shows his good will to appear friendly and sociable. Only nobody sees it in masked times. But even the real Duchenne smile does not come across anymore if the praised physical distance is too great or the glasses are too dark. The mother of all nonverbal communication, the human facial expression, is practically perdu.

People who stare at people

What remains to avoid misunderstandings and conflicts? One suggestion would be to look into each other’s eyes a little longer in order to read the other person’s state of mind. But there is a catch. Several studies have shown that eye contact should last a maximum of 3.3 seconds at first contact. If you keep staring, a stressful tangle of intimidation, assault, irritation and indignation develops. Who wants to be fixed by his counterpart like by Mafia boss Michael Corleone?

If not covered by a cap or hat, there is also the forehead. If it is relaxed, this is basically a positive sign, for example of interest or open-mindedness. A strong contraction of the glabellar fold between the eyebrows, on the other hand, would show that you are angry. But beware: some people pinch the frown line when they are extremely concentrated.

If the forehead lies crosswise, possibly in connection with raised eyebrows, the half-faced person may be quite sceptical. One can therefore expect a contradiction. On the other hand, the frowner might just be surprised. With open exit depending on the kind of surprise.

If the face does not send clear emotional messages, one could pay attention to the body language. But what’s the point of that if everyone backs off once to maintain the Corona distance? This evasive maneuver is learned as a nonverbal „I can’t stand you“, „I don’t trust you“ or „I don’t like you“. With the mask, the stay-away-from-body behaviour cannot even be softened by an apologetic or embarrassed smile. Even if everyone knows that in a pandemic, the dissociation is not meant personally or even badly, it still does not exactly serve the purpose of friendly communication.

There’s still the gestures. Here, however, you have to pay attention to the cultural background of the counterpart. With an encouraging thumbs up, the mood will be better, right? Not for the Australian, who hasn’t lived in Northern Europe for long. At home it means hissing away! In many cultures, the circle of thumb and forefinger conveys something positive, like perfect, everything okay or exquisite. But be careful! For some people in our multicultural society, this gesture is a nasty insult that has to do with the indication of a certain body orifice on the backside.

Talking with hands and feet is generally not advisable, as this is more a sign of uncertainty and lack of objectivity. The rhombus in front of the body, which is, however, already occupied by the highest German government office, signals more calmness. It is only a seemingly harmless gesture to form a pointed roof with your hands and to point it at the other person during the conversation. In the worst case, this is understood as an evil mixture of self-opinionatedness and disparagement.

Open palms and arms are usually interpreted positively.

But what the hell. If we’re nonverbally speechless these days, maybe we should start talking rightaway. In a warm, friendly voice and with carefully considered words. The smile without facial muscles is the small talk.

Irony with explosive power

Human communication is already complicated enough without a mask. The classic way to avoid misunderstandings is metacommunication, communication about communication. According to Paul Watzlawick, every message has a content level and a relationship level. The latter also includes the facial expression. Since this is no longer present, it must also be spoken out how something is meant or that one finds the other person basically nice. Especially irony needs to be explained clearly. Whoever makes room for someone else as a masked person with a jovial „so that you can fit through“ may immediately add a „joke, joke, joke“. Something like that.

Where we are still spared from the new normality is in the car. Even in Corona times, the road traffic regulations do not allow for all the mystery caused by the face cover. The driver is regarded as hooded with a mask, which is prohibited. So get in and take off the mask – the speed camera doesn’t care if you smile or not.

2 Kommentare

Ob mit oder ohne Maske, dieser bei aller Information wie immer äußerst unterhaltsame Artikel zaubert mir ein echtes Lächeln ins Gesicht ! Danke!

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