Aktualisiert 13.02.2023
In Würde gehen. Wer wünscht das nicht, wenn es soweit ist? Vor diesem Hintergrund wächst seit längerem das Bewusstsein, dass unheilbar kranke oder betagte Menschen am Lebensende nicht nur medizinische Fürsorge brauchen. Daher wurde neben der Palliativmedizin das Konzept Palliative Care entwickelt. Auf dieser Basis arbeiten auch die Teams der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV).
Palliativ kommt vom lateinischen palliare „mit einem Mantel umhüllen“. Das Bild veranschaulicht die zentrale Idee der ganzheitlichen Versorgung Todkranker: nicht nur körperliche Beschwerden wie Schmerzen, Atemnot und Übelkeit medizinisch lindern, sondern auch vor seelischer Pein schützen. Dabei rücken auch nichtmedizinische Aspekte in den Mittelpunkt:
- Kompetente, einfühlsame Pflege
- Zuwendung
- Kommunikation
- Spirituelle Fragen
- Einbindung der Angehörigen
Schock, Angst und Trauer
Palliative Maßnahmen werden erforderlich, wenn die kurative, also heilende Behandlung keinen Erfolg mehr hat. Der Schock, die Ängste und die Traurigkeit, die eine solche Diagnose auslösen, spiegeln sich in Begriffen wie austherapiert, hoffnungslos, ausweglos, Kampf verloren, Verfall. Aber auch der kontinuierliche Verlust vitaler Körperfunktionen im sehr hohen Alter führt in eine Lebensphase, die für viele nichts anderes ist als eine anhaltende Stress- und Ausnahmesituation.
Mit der medizinischen Entwicklung wurde aus dem hilflosen Sterben vergangener Tage schlimmstenfalls ein langwieriges „Nichtsterben“ im Krankenhaus. Palliative Care ist gewissermaßen der Gegenentwurf zu einer lebensverlängernden Apparatemedizin.
Versorgen, lindern und respektieren
Ein ganzheitliches Palliativkonzept zielt darauf, das Lebensende zu akzeptieren und seiner negativen Bewertung positiv zu begegnen. Palliative Care kann idealerweise dabei helfen, eine zutiefst menschliche ethische Leistung zu erbringen: die Wertschätzung eines Menschen bis zum letzten Augenblick seines Lebens.
Bei einer chronisch verlaufenden unwiderruflichen Krankheitsentwicklung braucht der Betroffene Hilfe in zwei Dimensionen.
Zum einen müssen die Symptome und zunehmenden Beschwerden der sich verschlimmernden Krankheit oder altersbedingt degenerativen Prozesse gemildert werden.
Zum anderen muss er die psychische Kraft für den letzten Weg seines Lebens aufbringen.
Ziel von Palliative Care ist es, einem Sterbenden – so paradox es klingt – Lebensqualität zu ermöglichen. Bei einem fortgeschrittenen Verlauf, jedoch lange vor den letzten Stunden auf dem „Sterbebett“.
An dieser komplexen Aufgabe können verschiedene Experten beteiligt sein. Palliative Care umfasst zahlreiche Berufsgruppen mit Schulung und Erfahrung im Palliativbereich wie
- Ärzte
- Pfleger
- Physiotherapeuten
- Psychologen
- Seelsorger
- Sozialarbeiter
- ehrenamtliche Personen
Auch die Menschen, die dem Betroffenen nahestehen, befinden sich in einer großen Krise. Wie sollen sie mit Hilflosigkeit und Abschied nehmen zurechtkommen? Der ganzheitliche Ansatz der Versorgung und Begleitung von Sterbenskranken zielt zusätzlich auf die Einbindung und das Wohlergehen von Angehörigen.
Zur Betreuung Schwerstkranker und Sterbender fallen den meisten Menschen die Palliativstationen großer Krankenhäuser oder die Hospize ein. Doch wie können Betroffene versorgt werden, die ihre verbleibende Zeit in ihrem gewohnten Umfeld verbringen möchten?
Spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV)
Professionelle palliative Hilfe in den eigenen vier Wänden, aber auch im Zimmer oder Apartment eines Alten- oder Pflegeheims ist möglich. Zur Unterstützung – und ausdrücklich nicht als Konkurrenz – des behandelnden Hausarztes, der betreuenden Angehörigen, des ambulanten Pflegedienstes oder der Altenpfleger wurde 2007 die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) eingeführt.
Bei der SAPV geht es darum, selbst bei medizinisch anspruchsvollen Herausforderungen im fortgeschrittenen Krankheitsstadium die Einweisung in stationäre Einrichtungen zu verhindern. Zusätzlich zu in der Palliativmedizin qualifizierten Ärzten kümmert sich ein multiprofessionelles Palliative Care-Team um den Schwerstkranken und seine Angehörigen.
Dabei bringt vor allem die 24-Stunden-Rufbereitschaft, das heißt die Gewissheit, auch nachts und am Wochenende in Krisensituationen Hilfe holen zu können, große Erleichterung.
Was ist beim Einsatz eines SAPV-Teams zu beachten?
Der behandelnde Arzt, zum Beispiel der Hausarzt, die Klinikärztin oder der für eine Alten- und Pflegeeinrichtung zuständige Arzt, kann die SAPV verordnen und damit die nicht-stationäre Versorgung durch ein Palliative Care-Team anfordern.
Die Kosten für den Einsatz des Palliative Care-Teams werden von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen.
Damit alle Betreuer eines schwerstkranken oder eventuell bereits geistig beeinträchtigten Menschen möglichst nach dessen Willen handeln können, sollten die Angehörigen eine Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht haben.
Wie findet man ein SAPV-Team für Palliative Care sowie andere Angebote wie Palliativpflegedienste und stationäre Palliativversorgung in der Nähe?
Der Ausbau eines Netzes von ambulanten Palliativ-Teams ist noch im Gange. Dennoch sollten Patienten und Angehörige ihren gesetzlichen Anspruch auf eine häusliche Palliativ-Versorgung möglichst überall wahrnehmen können. Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin, Prof. Dr. Lukas Radbruch, verweist auf die bundesweit große Zahl von Einträgen im Suchportal der Fachgesellschaft.
Ehrenamtliche Mitarbeiter sind unverzichtbar
Umfangreiche Informationen zum Thema gibt auch der Deutsche Hospiz- und Palliativ-Verband. Inzwischen zählt der Verband 120000 ehrenamtliche Mitarbeiter (Stand 2023). Wer sich selbst ehrenamtlich für Menschen in dieser schwierigen Zeit engagieren möchte, kann sich dort informieren und melden.