Einsamkeit ist ein Zustand, den man überwiegend mit älteren Menschen in Verbindung bringt. Partner weg, Kinder weg, Arbeit weg, gesundheitliche Handicaps. Und dann noch wenig Rente und fertig ist das traurige Bild. Inzwischen wurde in vielen Studien und einer umfangreichen Meta-Analyse festgestellt, dass soziale Isolation weiter verbreitet und ungesünder ist als gedacht – vergleichbar mit starkem Übergewicht oder 15 Zigaretten am Tag.
Einsamkeit ist Stress, verursacht Bluthochdruck und schadet dem Immunsystem. Diese Erkenntnisse brachten in Großbritannien eine „Minister for Loneliness“, eine Staatssekretärin mit dem Aufgabengebiet Einsamkeit, und auch bei uns viel Aufmerksamkeit.
Doch wenn das Thema die Medien passiert hat und bis politische Versprechen eingelöst werden, sind die Einsamen immer noch einsam. Es sei denn, sie hatten das Glück, sich in neuen Partner-, Freund- oder Gemeinschaften aufgehoben zu fühlen. Oder sie hatten die Energie, selbst einige Maßnahmen gegen die Einsamkeit zu ergreifen.
Ältere Menschen haben oft den Wunsch, etwas gegen drohende oder bereits vorhandene Einsamkeit zu unternehmen, solange sie es körperlich und geistig noch können. Aber wie kann man gegen Einsamkeit vorgehen?
Wie einsam man ist, bestimmt die Psyche.
Zunächst gilt es, den eigenen isolierten Standort zu bestimmen, das heißt zwischen den Begriffen Einsamkeit und Alleinsein zu unterscheiden.
Alleinsein ist in dieser Abgrenzung ein Lebensumstand, der hingenommen wird und manchmal sogar freiwillig kurz- oder längerfristig gewählt ist. Der Mensch, der allein ist, kann dies als unproblematisch oder sogar positiv empfinden, insbesondere wenn das Alleinsein als Option oder vorübergehend auftritt. Das kennt jeder, der das Alleinsein mal so richtig genossen hat. Selbst wenn beim Alleinsein ein Anflug von Einsamkeit aufkommt, ist der kein Grund zur Beunruhigung, da er zeitlich begrenzt ist.
Menschen, die eine introvertierte Persönlichkeit haben, würden das Leben und Arbeiten in häuslicher Isolation und Ruhe jederzeit dem Trubel draußen vorziehen.
Zum Gesundheitsproblem kann jedoch die chronische Einsamkeit werden. Darunter verstehen wir ein langfristig bestehendes negatives Gefühl, dem Lebensumstand des Alleinseins ausgeliefert zu sein und darunter zu leiden. Dabei kann es dem Einsamen an Kontakten an sich oder – obwohl von Menschen umgeben – einem tieferen Gefühl der Verbundenheit mangeln. Man merkt es ganz einfach: Es tut weh. Das bestätigen Messungen, die das Gefühl der Einsamkeit im Gehirn lokalisierten, wo auch körperlicher Schmerz signalisiert wird.
Bei Einsamkeit können Ängste bis zur Depression mit ins Spiel kommen. Dabei bedingen sich Einsamkeit und Depression häufig gegenseitig. Dieser Teufelskreis lässt sich möglichweise nur mit professioneller psychologischer oder psychiatrischer Hilfe durchbrechen. Auch wer physisch nicht allein ist, sich aber in einer Partnerschaft oder seinem Umfeld einsam fühlt, könnte Ursachen und Abhilfe durch psychologische Beratung oder Therapie finden.
Wer ist besonders gefährdet?
Nach Erkenntnis von Psychologen haben Menschen mit geringerem Selbstwertgefühl ein größeres Risiko, einsam zu sein. Wer das Gefühl hat, für andere nicht attraktiv und spannend genug zu sein, reagiert oft mit Trauer und Rückzug.
Darüber hinaus bleiben auch Menschen für sich, weil sie sich in der Gemeinschaft auf ihrem intellektuellen Niveau oder in ihrem Lebensstil unverstanden fühlen. Da bleiben gut gemeinte Ratgeber-Tipps wie „Sprechen Sie öfter mal einen unbekannten Menschen an“ das, was sie sind: hilf- und zwecklos.
Denn wir alle hätten gerne möglichst viele Freunde und Bekannte, die bis ins Detail so ticken wie wir. Was in unserer Gesellschaft, in der sich Menschen so individuell wie unterschiedlich verwirklichen, nur selten klappt. Daher empfiehlt sich als erster Schritt weg von der Einsamkeit:
Springen Sie ab und zu über Ihren Schatten.
Nicht hinter jeder geplatzten Verabredung verbirgt sich eine Zurückweisung. Besser ist es, an Kontakten erst mal dranzubleiben und sich klar zu machen, dass man es wert ist. Der andere ist vielleicht froh, wenn man wieder anruft. Falls er sich aber tatsächlich zurückziehen wollte, war es sein Problem.
Andererseits hat mehr soziale Kontakte, wer sich auch Menschen mit anderem Bildungsniveau oder Lebensstil öffnet und sich auf Schnittmengen in Form gemeinsamer Interessen und Einstellungen konzentriert. Vielleicht entsteht in solchen Verbindungen nicht die gewünschte Tiefe, aber einen entspannenden Effekt haben sie zweifellos.
Pflegen Sie Ihre Kontakte.
Es klingt banal, bedarf aber oftmals großer Energie: Wenn man nach dem Eintritt in den Ruhestand und dem Auszug der Kinder mehr Zeit gewonnen hat, sollte man einen Teil davon bewusst für Aktivitäten mit anderen verwenden: sich öfter treffen, alte Kontakte reanimieren, gemeinsam sportliche und kulturelle Interessen verfolgen.
Ob es sich um gemeinsame Hobbies, Reisen, einen Literaturkreis oder nur gelegentliche spontane Unternehmungen handelt – entscheidend ist, dass man die Initiative ergreift. In manchen Fällen kann alles wieder versanden, in anderen kann sich aber eine Dynamik entwickeln, bei der sich Freund- und Bekanntschaften vertiefen und neu entwickeln. Bestenfalls werden die Stresshormone, die bei Einsamkeit den Körper überfluten, von dem Kuschelhormon Oxytocin, das bei tief empfundener Verbundenheit ausgeschüttet wird, verdrängt.
Nutzen Sie Angebote.
Wer selbst nicht der große Organisator ist, kann sich informieren, was andere bieten. Ganz im Sinne der englischen Einsamkeitsministerin Tracey Crouch kann mehr Gruppenarbeit den Zusammenhalt der Gesellschaft und das persönliche Wohlbefinden Alleinlebender fördern.
Die politische Anerkennung, dass Einsamkeit kein individuell verschuldetes, sondern ein gesellschaftliches Problem ist, könnte in mehr staatlichen oder kommunalen Programmen wie die Förderung von neuen Wohnformen für Ältere oder Institutionen zur Begegnung münden. Bis zur flächendeckenden Umsetzung kann es dauern. Doch es gibt clevere Initiativen, die unterschiedliche Bedürfnisse der sozialen Begegnung aufgreifen.
Einige Beispiele:
- In Berlin gibt es „pro seniores e. V.“, eine Initiative für Ältere mit Wissensdurst und eine breit gefächerte Alternative zum Seniorenstudium.
- Die Organisation „Silbernetz e. V.“ bietet unter anderem ein Hilfstelefon gegen Einsamkeit im Alter.
- Das Internetportal „Initiative gegen Einsamkeit im Alter“ bietet einen Überblick über Organisationen und Einrichtungen zur Begegnung und gemeinsamen Aktivitäten im Alter.
- Das Projekt „Wege aus der Einsamkeit e. V.“ hilft unter anderem auf dem Weg in die Internet-Kommunikation.
- Der sozialen Vernetzung dienen soll auch die von der Diakonie Deutschland gestartete Initiative „Wir sind Nachbarn. Alle.“
- Wie erfolgreich es sein kann, wenn Jüngere gemeinsam etwas unternehmen, damit Ältere nicht einsam sind, zeigt der Verein „Freunde älterer Menschen e. V.“
Von einem eigenen sozialen Engagement profitieren einerseits die Empfänger, zum Beispiel Menschen, Tiere, Umwelt und Organisationen, die auf die Hilfe anderer angewiesen sind. Andererseits hilft es auch den Gebern, also zum Beispiel Menschen in fortgeschrittenen Alter, die noch gesund, selbständig und aufgeschlossen sind, aus der Einsamkeitsfalle.
Ein klassischer Weg, wie Ältere die Gesellschaft bereichern und dabei selber nicht alleine sind, ist das Ehrenamt. Eine Reihe von Möglichkeiten erfahren Sie hier.
Aktivieren Sie Ihren inneren Menschenfreund.
Ob privat orientiert oder gesellschaftlich engagiert – wenn man auf andere Menschen zugehen möchte, ist es womöglich hilfreich, die Welt aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Während nach dem Auflösen enger familiärer und gesellschaftlicher Strukturen das Ich immer mehr in den Vordergrund gerückt ist und die Individuen ganz selbstverständlich um pausenlose Selbstverwirklichung ringen, könnte eine neue Aufwertung des Wir-Gedankens nicht schaden. Voraussetzung sind sicherlich Sympathie und Neugier in Bezug auf andere Menschen, Eigenschaften, die sich letztlich wieder positiv auf das eigene Dasein auswirken können.
Doch was bleibt? Wer umgibt und versteht Sie, wenn Sie selber einmal auf Hilfe angewiesen sind? Wohl dem, der eine liebevolle Familie hat. Aber vielleicht werden es auch die Freunde und Bekannten sein, die Sie in Ihrer aktiven Zeit gewonnen haben oder Menschen aus den Organisationen wider die Einsamkeit, in denen Menschenfreunde wie Sie weitermachen.
Vor diesem Hintergrund braucht man kein Helfersyndrom oder eine extra dicke soziale Ader, um sich für andere Menschen zu interessieren.
Nutzen Sie das soziale Internet.
Die sozialen Netzwerke im Internet werden oft kritisiert als Einsamkeitsstifter nach dem Motto: 500 Facebook-Freunde, aber niemand, der mit in die Kneipe geht. Das gilt nicht, wenn soziale Netzwerke nicht als Ersatz, sondern als pragmatische Bereicherung für den Austausch mit anderen verwendet werden. Klug genutzt kann das Internet beim Kontakthalten geradezu segensreich sein. So ermöglicht vor allem Videotelefonie wie das Skypen eine intensive Kommunikation über Entfernungen hinweg.
Apropos moderne Technik: Wenn auf Ihren Selfies meistens andere mit drauf sind, sind Sie auf dem richtigen Weg in eine Zukunft ohne Isolation.
English Version
Loneliness: ways out of a dangerous feeling
Loneliness is a condition that is predominantly associated with older people. Partner gone, children gone, work gone, health handicaps. And then little pension and that’s the sad picture. In the meantime, many studies and an extensive meta-analysis have shown that social isolation is more widespread and unhealthier than expected – comparable to being heavily overweight or smoking 15 cigarettes a day.
Loneliness is stress, causes high blood pressure and damages the immune system. These findings brought a „Minister for Loneliness“ to the UK.
But when the issue has passed through the media and until political promises are kept, the lonely are still lonely. Unless they have been lucky enough to feel safe and secure in new partnership, friendship or community. Or they had the energy to take some measures against loneliness themselves.
Older people often have the desire to do something about threatening or already existing loneliness, as long as they can physically and mentally. But how can one take action against loneliness?
How lonely you are is determined by your psyche.
The first step is to determine one’s own isolated location, i.e. to distinguish between the concepts of loneliness and solitude.
In this demarcation, being alone is a life circumstance that is accepted and sometimes even voluntarily chosen for the short or long term. The person who is alone can perceive this as unproblematic or even positive, especially if being alone is an option or temporary. Everyone who has ever really enjoyed being alone knows this. Even if there is a touch of loneliness when being alone, it is no cause for concern, as it is temporary.
People who have an introverted personality would always prefer living and working in domestic isolation and tranquility to the hustle and bustle outside.
However, chronic loneliness can become a health problem. By this we mean a long-term negative feeling of being exposed to and suffering from the circumstances of being alone. The lonely person may lack social contacts or – although surrounded by people – a deeper feeling of connection. It is very easy to realize because it hurts. This is confirmed by measurements that localized the feeling of loneliness in the brain, where physical pain is also signaled.
In the case of loneliness, fears can come into play, even depression. Loneliness and depression are often mutually dependent. This vicious circle can possibly only be broken with professional psychological or psychiatric help. Even those who are not physically alone, but feel lonely in a partnership or their environment, could find causes and remedies through psychological counselling or therapy.
Who is particularly at risk?
According to the findings of psychologists, people with lower self-esteem have a greater risk of being lonely. People who feel that they are not attractive and exciting enough for others often react with sadness and withdrawal.
In addition, people also keep to themselves because they feel misunderstood at their intellectual level or in their lifestyle. Well-intentioned advice such as „Speak to an unknown person more often“ remain what they are: helpless and useless.
Because we would all like to have as many friends and acquaintances as possible who tick like us in every detail. This is something that rarely works in our society, in which people realize themselves as individually and differently as they do. That’s why we recommend taking the first step away from loneliness:
Jump over your shadow now and then
Not every broken appointment is a rejection. It’s better to stick with your contacts for now. The other person might be happy to receive your call again. But if he really wanted to withdraw, it was his problem.
On the other hand, those who open up to people with a different level of education or lifestyle and focus on overlaps in the form of common interests and attitudes have more social contacts. Perhaps such connections do not create the desired depth, but they certainly have a relaxing effect.
Cultivate your social contacts
It sounds banal, but often requires a lot of energy: if you have gained more time after retirement and the children have moved out, you should consciously use part of it for activities with others: meet more often, revive old contacts, pursue sporting and cultural interests together.
Whether it is a matter of common hobbies, travelling, a book club or just occasional spontaneous activities – the decisive factor is that you take the initiative. In some cases, everything can go to waste again, but in others a dynamic can develop in which friendships and acquaintances deepen and develop anew. At best, the stress hormones that flood the body in loneliness are displaced by the cuddling hormone oxytocin, which is released when a deep sense of connectedness is felt.
Take advantage of offers
If you are not the big organiser yourself, you can find out what others have to offer. In the spirit of the English Minister for Loneliness, Tracey Crouch, more group work can promote social cohesion and the personal well-being of people living alone.
The political acknowledgement that loneliness is not an individual but a social problem could lead to more state or community programmes such as the promotion of new forms of housing for the elderly or institutions for encounter. It may take some time before this is implemented on a broad scale. But there are clever initiatives that address different needs for social encounters.
Some examples:
- In Berlin there is „pro seniores e. V.“, an initiative for older people with a thirst for knowledge and a broad alternative to studying for senior citizens.
- The organisation „Silbernetz e. V.“ offers, among other things, a hotline to help against loneliness in old age.
- The internet portal „Initiative against loneliness in old age“ offers an overview of organisations and institutions for meeting and joint activities in old age.
- The project „Wege aus der Einsamkeit e. V.“ (Ways out of loneliness) helps, among other things, on the way to Internet communication.
- The initiative „We are neighbours“, launched by Diakonie Deutschland, also aims to promote social networking.
- The association „Freunde älterer Menschen e. V.“ shows how successful it can be when younger people do something together so that older people are not lonely.
If you get involved in social activities yourself, on the one hand the recipients benefit, for example people, animals, the environment and organisations that are dependent on the help of others. On the other hand, it also helps donors, for example people of advanced age who are still healthy, independent and open-minded, to escape the loneliness trap.
A classic way in which older people enrich society and are not alone is through volunteering. You can find out about a number of possibilities here.
Activate your inner philanthropist
Whether privately oriented or socially committed – if you want to approach other people, it may be helpful to look at the world from a different perspective. While after the dissolution of tight family and social structures the ego has moved more and more to the fore and individuals are quite naturally struggling for uninterrupted self-realization, a new revaluation of the „we“ concept could not hurt. A prerequisite for this is certainly sympathy and curiosity about other people, qualities that can ultimately have a positive effect on one’s own existence.
But what remains? Who surrounds and understands you when you yourself are dependent on help? Blessed is he who has a loving family. But perhaps it will also be the friends and acquaintances you have gained in your active time or people from the organizations against loneliness, in which human friends like you continue.
Use the social Internet
The social networks on the Internet are often criticized as loneliness creators according to the motto: 500 Facebook friends, but nobody who goes to the pub. This is not true if social networks are not used as a substitute but as a pragmatic enrichment for the exchange with others. If used wisely, the Internet can be a blessing when it comes to keeping in touch. Video telephony in particular, such as Skype, enables intensive communication across distances.
Speaking of modern technology: If your selfies usually include others on them, you are on the right track to a future without isolation.