Prokrastination – für alle, die es noch nicht wissen – ist das Aufschieben von meist wichtigen Tätigkeiten, die man als unangenehm und/oder im Moment irgendwie zu groß empfindet. Solche Tätigkeiten könnten die Steuererklärung, eine Vorsorgeuntersuchung, Sporttreiben, ein neues Projekt oder aufwändige Planung und Durchführung einer Reise sein.
Das klingt jetzt vielleicht hart, aber: Bei Aufschiebern ab einem bestimmten Alter bekommen die Ausdrücke „bis zur Deadline“ oder „bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag“ etwas ziemlich Finales. Oder anders ausgedrückt: Auch eine lange Bank ist irgendwann zu Ende.
Nachgewiesenermaßen sind gerade Menschen mit freier Zeiteinteilung am anfälligsten für Prokrastination, also Studierende und Arbeitslose. Da fiele uns tatsächlich noch die Gruppe der Ruheständler ein. Also ran an die Vorhaben – mit ein paar Tipps, wie man die Aufschieberitis bekämpfen könnte.
Woran liegt’s?
Machen Sie sich den Grund für Ihre Aufschieberei klar: Liegt es an Bequemlichkeit oder Antriebsschwäche? Kann ja gar nicht sein, denn Sie sind ja die ganze Zeit beschäftigt.
Mini-Kicks
Hausputz, Wagen waschen, Einkaufen – die vielen kleinen Ablenkungsaktivitäten müssen gar nicht mal so angenehm sein, aber sie versorgen das Gehirn mit vielen dopaminsatten Belohnungserlebnissen. Man denke nur an das Gefühl der Befriedigung, wenn Fenster, Badezimmer-Armaturen und Autolack wieder glänzen oder alle E-Mails beantwortet sind. Es ist einfach leichter, den Belohnungs-Spatz in der Hand zu haben als die Taube auf dem Dach, sprich die zu erwartende Belohnung der großen erledigten Aufgabe in der Zukunft.
Druck muss ein
Oder brauchen Sie immer ganz viel Druck, um etwas zu erledigen? Kurz bevor der Lebenspartner/die Lebenspartnerin explodiert oder der Was-auch-immer-Zug abgefahren ist, heißt es: Geht doch! Dann bekommt Ihr Gehirn auch Dopamin, aber nach einer vorherigen stressbedingten Adrenalin-Ausschüttung, die vielleicht ungesund ist. Es herrscht in diesem Fall akute Selbstbetrugsgefahr.
Angst
Oft sind es sind aber auch Ängste, die einen von einem Projekt abhalten. Es könnte ja nichts werden (Versagensangst) oder nicht gut genug sein (Perfektionismus) oder sogar Gefahr bringen: Krankhafte Prokrastination als Symptom für belastende Persönlichkeitsmerkmale kann sogar psychotherapeutische Hilfe ratsam machen.
Wie kann man etwas angehen, was man nicht so recht angehen will?
- Struktur ist das „Zauberwort“. Die To-do-Liste sei hier empfohlen, und zwar mit dem klaren Setzen von Prioritäten. Man hüte sich allerdings davor, die prokrastinierte Aufgabe in der Liste zu parken, um sie hiermit weiter zu prokrastinieren.
- Dokumentieren Sie Ihre Fortschritte durch lustvolles Abhaken. Sie könnten zum Beispiel die unangenehme Aufgabe in mehrere kleine Elemente aufteilen, die Sie einzeln abarbeiten. Für jede Einheit gibt es eine Belohnung wie zum Beispiel Haken setzen (ja!), Kaffee (ok), Telefonplausch (gut), Hund spazierenführen (super) etc. Füttern Sie so Ihr Hirn mit Dopamindosen, während Sie auf das große Ziel hinarbeiten.
- Koffein, Schokolade oder Musikhören dürfen je nach Vorlieben auch als Nebenbei-Belohnung das anstrengende Arbeiten verschönen. Vermeiden Sie jedoch Ablenkungen von außen, indem Sie beispielsweise das E-Mail-Signal ausschalten und ein Nicht-stören-Schild vor die Tür hängen.
- Konzentrieren Sie sich auf eine Aufgabe. Double- oder Multitasking, also der Versuch, zwei oder mehrere Sachen gleichzeitig zu machen, funktioniert nach aktuellen Erkenntnissen definitiv nicht.
- Wenn die Art des Projekts es erlaubt, können Sie Ihren Perfektionsanspruch mithilfe des Pareto-Prinzips oder der 80-zu-20-Regel managen. Demnach könnten 20 Prozent Ihres Aufwandes bereits zu 80 Prozent Ihres gewünschten Ergebnisses führen. Es ist nicht 100 Prozent perfekt (sondern eben nur 80), aber Sie haben es schnell gemacht und dabei 80 Prozent weiteren Aufwand für nur 20 Prozent restliches Ergebnis gespart. Nichts für die Steuererklärung, aber vielleicht für das Redemanuskript zur Geburtstagsfeier …
- Falls Sie der Meinung sind, Sie schaffen eine bestimmte Sache sowieso nicht, weil einfach Zuviel dagegen spricht, probieren Sie es mal mit einer bewährten Motivationstechnik wie WOOP: W steht für Wish, nämlich das, was Sie erreichen wollen. Das erste O steht für Outcome: Sie malen sich dann dieses Ergebnis in den allerschönsten Farben aus. Das zweite O steht für Obstacle, dem Hindernis, das Ihnen innerlich im Weg steht. Hinterfragen Sie Ihre Ausreden. P steht für Plan: Legen Sie in Wenn-dann-Sätzen fest, wie Sie die Hindernisse überwinden können. Diese Methode des sogenannten mentalen Kontrastierens kann Ihnen mittels Imagination helfen, den berühmten Schweinehund zu überwinden.
- Sorgen Sie dafür, dass Sie fit für Ihre Vorhaben sind. Müdigkeit, Blutdruck, Blutzucker, Schilddrüse – wenn körperliche Beschwerden ablenken, wird alles umso schwerer. Vermeiden Sie außerdem, gegen Ihren persönlichen Biorhythmus anzugehen. Die Lerche arbeitet lieber frühmorgens, die Nachtigall bis in die Puppen.
Als ultimative Motivation kann es hilfreich sein, das große Ganze ins Auge zu fassen. Machen Sie sich Folgendes über Prokrastination bewusst: Wer seine Zeit mit Ablenkungen wie leichten befriedigenden Routinearbeiten und häufigem Medienkonsum verbringt, schrammt womöglich vorbei an dem Lebensglück und Lebenssinn, die das Meistern größerer Herausforderungen bereitet.