Jeden Herbst kommt dies unausweichlich auf uns zugerollt: Halloween, Adventskränze, das Weihnachtsgeschäft und die Grippewelle. Und mit letzterer der Aufruf zur Grippeimpfung. Ärzte empfehlen den Impfschutz vor allem sogenannten Risikogruppen wie Menschen über 60. Man kann es nicht ignorieren: Die meinen uns. Daher einige Informationen zu diesem fiebrigen Thema*:
Ein Schnupfen ist keine Grippe, sondern ein grippaler Infekt. Das ist nicht spitzfindig, sondern eine klare medizinische Unterscheidung zwischen der Erkältung und der Influenza. Die Erkältung (der grippale Infekt) schleicht sich meist an und steigert sich in die Symptome Halsweh, verstopfte Nase, Niesen und Husten, die uns zwar zusetzen, aber in der Regel einen milderen Verlauf nehmen als die Grippe und nach spätestens neun Tagen abklingen sollten. Meist kann man mit diesem Übel selber fertig werden.
Die Influenza (die Grippe) hingegen schlägt unmittelbar zu mit Fieber, Schüttelfrost, Gliederschmerzen und trockenem Husten. Außer Bettruhe geht hier nichts mehr. Die Krankheit kann mehrere Wochen dauern. Bei der Grippe ist man meist so krank, dass ärztliche Hilfe ratsam ist.
Erkrankungen und Todesfälle
Zum Thema „Mich erwischt es schon nicht“ empfiehlt sich ein Blick in die Statistik. In manchen Saisons entwickelt sich eine Grippewelle zum reinsten Tsunami. Da nicht alle Grippeerkrankungen im Gesundheitssystem gemeldet und nicht alle Todesfälle als grippeverursacht erkannt werden, beruhen die Zahlen der Erkrankungen und Todesfälle auf Schätzungen. Das Robert-Koch-Institut (RKI) gibt die Zahl der Grippefälle in Deutschland auf zwei bis zehn Millionen je nach Saison an. Die meisten Todesfälle in den letzten Jahren gab es mit geschätzten 21.300 in der Grippesaison 2014/15. In der Saison 2016/17 wurden 723 Todesfälle mit Influenza-Infektion an das RKI gemeldet. 94 Prozent der Verstorbenen waren Menschen über 60. Es sind die typischen Komplikationen wie Lungenentzündung oder Herzmuskelentzündung, die vor allem bei Älteren zum Tode führen können.
Mediziner raten zur Grippeschutzimpfung im Oktober oder spätestens November. Danach ist auch noch besser als gar nicht. Dann besteht allerdings das Risiko, dass der bereitgestellte Impfstoff-Vorrat knapp wird. Bis die Schutzwirkung vollständig aufgebaut ist, dauert es zirka zwei Wochen. Der Impfschutz hält etwa ein halbes Jahr. Grippe-Hochsaison ist meist Januar/Februar. Menschen über 60 sollten ihre Ärztin oder ihren Arzt darauf ansprechen, ob zusätzlich eine Impfung gegen Pneumokokken empfehlenswert sein könnte.
Mit der Haltung „Ich riskier’s ohne Impfung“ sind Sie nicht nur hart gegen sich selbst, sondern leider auch gegen Ihre Mitmenschen. Denn je mehr Menschen sich für die Grippeimpfung entschieden haben, desto geringer ist die Gefahr der Ansteckung. Wünschenswert ist laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) die sogenannte Herdenimmunität, in der sich die Krankheit nicht mehr ausbreiten kann. Damit sind auch die wenigen „Herdenmitglieder“ geschützt, die wegen ihrer Immunschwäche nicht geimpft werden können.
Das Virus findet seinen Weg
Anstecken geht leider ganz einfach, und zwar auf zwei potentiellen Wegen. Eine Ansteckungsmöglichkeit ist die sogenannte Tröpfcheninfektion: Viren wabern zum Beispiel nach einem herzhaften Niesen durch die Luft und der Grippekranke in spe atmet sie ein. Die zweite Ansteckungsmöglichkeit ist die Schmierinfektion: Grippevirusträger fasst Türklinke an, Gesunder fasst dieselbe Türklinke und dann seine Nase, seinen Mund oder sein Auge an und ist nach ein bis zwei Tagen nicht mehr gesund. Besonders trickreich: Nicht jeder Infizierte erkrankt und kann daher ohne sein und das Wissen anderer ansteckend sein.
Folgerichtig sind Abstandhalten und Händewaschen neben der Grippeimpfung die Schutzmaßnahmen der Wahl. Beim Händewaschen bringt es die Seife, nicht die Temperatur des Wassers. Beim Einseifen darf man sich ruhig Zeit lassen. Wenn Wasser und Seife gerade buchstäblich nicht zur Hand sind, gelten Handdesinfektionsmittel zum Mitnehmen als sinnvolle Alternative. Es soll immer noch Leute geben, die sich nach dem Heimkommen nicht als erstes die Hände waschen. Gehören Sie nicht dazu! Da in unserem Kulturkreis ein Volk von Händeschüttlern wohnt, geht der Appell an alle Erkrankten: Wenn es für das sekundenschnelle Hervorzaubern des Papiertaschentuchs nicht mehr reicht, niesen und husten Sie nicht in die Gegend, aber auch nicht in die Hand, sondern in die Armbeuge, mit der man in der Regel weder Türklinken, Telefone und Einkaufswagen ergreift noch seine Mitmenschen begrüßt.
Ältere Impfmuffel
Das RKI beklagt, dass 2016/17 die Impfquote ausgerechnet bei Senioren mit 35,3 Prozent besonders niedrig war. 2009/10 waren es noch 47,7 Prozent. Da geht also noch was. Insbesondere bei Großeltern, die mit Kindern, die Kitas, Kindergärten und Schulen besuchen, zu tun haben. Oder bei Nicht-Großeltern, die mit Menschen zu tun haben, die mit Kindern zu tun haben. Oder bei Unternehmungslustigen, die gerne unter Leute gehen. Oder bei Daheimbleibern, die lieber Besuch bekommen. Also eigentlich bei allen.
Kassen zahlen die Ü60-Impfung jetzt auch mit Vierfach-Impfstoff
Bei über 60jährigen wurden die Kosten für die jährliche Grippeschutzimpfung gegen drei Virenstämme von den gesetzlichen Krankenkassen grundsätzlich übernommen. Die Kosten für den breiteren Schutz eines Vierfach-Impfstoffs mussten die Patienten meist selbst tragen. Nach einer Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut in Berlin ist ab der Impfsaison 2018/2019 die Vierfach-Schutzimpfung verbindlich. Die Kosten für den Vierfach-Impfstoff werden nun von allen gesetzlichen Krankenkassen getragen.
Schön wäre es außerdem, wenn sich mehr Menschen impfen ließen, die von Berufs wegen Kontakt mit vielen Personen haben. Dies gilt insbesondere für Beschäftigte im medizinischen und pflegerischen Bereich. In den USA ist dieser Sachverhalt einfach geregelt: Medizinisches Personal, das sich nicht gegen Grippe impfen lässt, muss während der Grippesaison durchgehend mit Atemmaske arbeiten. Die Impfquote liegt nahe 100 Prozent.
Es spricht also viel für die Grippeimpfung. Was könnte man dagegen anführen?
Gegenargumente und wie man damit umgehen kann
Erstens: Angst vor Spritzen
Wenn Sie 40 Grad Fieber, wochenlangen Husten und das Risiko einer Lungenentzündung als weniger bedrohlich empfinden als eine Sekunde gepikst zu werden, muss der Horror beachtlich sein. Wägen Sie ab, welche Pein Ihnen größer erscheint. Leider können Ihnen die Ärztin oder der Arzt nicht mit einer Nasenspray-Impfung Erleichterung verschaffen, da diese nur für Kinder zugelassen ist und die Wirkung bei Erwachsenen ohnehin nicht belegt ist.
Zweitens: Angst vor Nebenwirkungen
Absolute Sicherheit gibt es nicht. In der Tat kann es zu Nebenwirkungen wie Schmerzen an der Einstichstelle oder vorübergehenden leichten bis unangenehmen Allgemeinbeschwerden kommen, die laut RKI jedoch selten vorkommen. Bei diesen Symptomen handelt es sich nicht um eine „kleine“ Grippe, da der Impfstoff für Erwachsene kein Lebendimpfstoff ist und keine vermehrungsfähigen Erreger enthält. Eine allergische Sofortreaktion tritt laut BZgA nur in sehr seltenen Fällen auf.
Drittens: Allergie gegen Hühnereiweiß
Hühnereiweiß ist die Substanz, in der der Impfstoff hergestellt wird. Falls Sie dagegen allergisch sind, können Sie mit einem Impfstoff geimpft werden, der in Zellkulturen statt in Hühnereiern produziert wurde.
Viertens: Akute Infektion
Ihr Körper kämpft gerade gegen eine Erkältung? Werden Sie gesund und gehen Sie erst zwei Wochen danach zur Grippeimpfung.
Fünftens: Grippe trotz Impfung
Sie haben sich schon mal impfen lassen und sind in derselben Saison dennoch an Grippe erkrankt? Vielleicht war die vermeintliche Grippe ein grippaler Infekt, gegen den die Grippeschutzimpfung nichts ausrichten kann. Doch es kann in der Tat passieren, dass man trotz Impfung an der Influenza erkrankt. Die Zusammensetzung des Wirkstoffes für die jeweilige Saison basiert auf einer Prognose gemäß den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Leider werden durch diese Vorhersage nicht immer alle heranrollenden Viren abgedeckt, da Viren extrem veränderlich sind. Nach dem Wissensstand der Grippesaison 2017/18 bot die Impfung mit dem Vierfach-Impfstoff – also die Impfung gegen vier Virenstämme – den besseren Schutz, da die in dieser Saison grassierenden Viren durch die Dreifach-Impfung offenbar ungenügend abgedeckt wurden. In der Folge wurde für die Zukunft ein Impfstoff gegen vier Virenstämme empfohlen (siehe oben).
Milderer Krankheitsverlauf bei Älteren
Die Unsicherheit in der Prognose ist dennoch kein Argument gegen die Impfung, vor allem für Ältere. Experten haben herausgefunden, dass die regelmäßige Grippeschutzimpfung, selbst wenn sie nicht immer hundertprozentig vor dem Ausbruch der Krankheit schützt, bei älteren Menschen einen schlimmeren Krankheitsverlauf und damit auch schwere, potentiell tödliche Komplikationen wie die Lungenentzündung verhindern kann.
*Dies ist ein Artikel über ein Gesundheitsthema. Er dient nicht der Selbstdiagnose oder –behandlung und ersetzt keinesfalls das Gespräch und die Therapie durch Ärztin oder Arzt.