Gesunde Selbstgespräche – immer raus mit der Sprache!

Haben Sie sich heute schon mal was gesagt? Gut so, denn Selbstgespräche haben wichtige Funktionen für unser Wohlergehen. Leider können sie einen aber auch richtig runterziehen. Wenn man allein lebt und wie derzeit kaum unter Leute gehen kann oder will, ist das Ich als Gesprächspartner erste Wahl. Hier ein paar Tipps, wie man sich richtig mit sich unterhält.

Das Wichtigste vorweg: Selbstgespräche sind völlig normal und werden nach Einschätzung von US-Forschern von 96 Prozent der Menschen geführt. Kinder denken ganz selbstverständlich laut und behalten erst ab etwa fünf Jahren ihre Gedanken überwiegend für sich. Das bleibt dann so, vor allem in Anwesenheit anderer Menschen. Der Grund ist nachvollziehbar. Selbstgespräche gehören auch zur Symptomatik bestimmter psychischer Erkrankungen. Daher kommt man sich beim Ich-Gespräch meist selbst ein wenig spinnert vor.

Gesagt, gemerkt

Dazu besteht kein Anlass, denn die psychologische Forschung hat einige positive Effekte des Selbstgesprächs herausgefunden. Einer ist besonders für ältere Menschen interessant, bei denen das Kurzzeitgedächtnis auch nicht mehr das ist, was es mal war: Selbstgespräche steigern die Merkfähigkeit. Nach einer Studie der Universität Wisconsin besteht für das Gedächtnis ein erheblicher Unterschied, ob wir etwas nur denken oder laut und deutlich zu uns sagen.

Wer aus dem süddeutschen Raum kommt, kennt vielleicht den Satz, den man beim Suchen vor sich hinsagen muss, wenn man etwas verlegt hat … Heiliger Antonius, kreuzbraver Mann, führ mich dahin, wo mein Dingsbums sein kann … und die erstaunliche Tatsache, dass man das Dingsbums dann so gut wie immer wiederfindet.

Ohne Evidenz durch Gehirnscans sei hier behauptet, dass wohl so ähnlich die psychologischen Experimente funktionierten, bei denen die laut denkenden Probanden sich besser konzentrieren sowie Dinge besser erinnern oder wiederfinden konnten.

Selbstgespräche

Der amerikanische Selbstgespräch-Forscher Thomas Brinthaupt sieht vier Hauptfunktionen des Self Talk:

  • Selbstmanagement
  • Selbstbestätigung
  • Soziale Bewertung
  • Selbstkritik

Ein Beispiel für Selbstmanagement: Erhöhte Merkfähigkeit durch Selbstgespräche verbessert auch die Lebensorganisation. So kann man Vorhaben still und stumm auf eine To-Do-Liste schreiben, wo sie dann oft geparkt bleiben. Oder man spricht seinen Plan laut und deutlich aus. Was man sich sagt, ist nicht nur im Kopf, sondern will auch raus. Also setzt man es in die Tat um. Eventuell muss man es halt zweimal sagen.

Haasi hat kein Bock mehr

Wer was erreichen will, sollte zur Selbstbestätigung mit sich sprechen. In der Sportpsychologie gilt das Selbstgespräch als wichtige Maßnahme zur Leistungssteigerung. Mit einem geradezu lehrbuchhaften Praxisbeispiel hat der Tennisspieler Tommy Haas bei den Australian Open seine Zuschauer erfreut, als die Hochleistungsmikrofone seine Selbstgespräche während des Matches einfingen. Nach einigen Fehlern begann Haas sich zu beschimpfen … So kannst Du nicht gewinnen Haasi …, dann machte er sich seine Gefühlslage klar … Ich habe keinen Bock mehr … und am Ende seiner dramatischen Suada versicherte er sich selbst … Aber Du gewinnst. Dann gewann er.

Eine unangenehme Situation durchhalten, Sport treiben, etwas Anspruchsvolles kochen – welche Herausforderungen Sie auch annehmen, sprechen Sie mit sich selbst drüber. Ein guter Satz: Ich schaff‘ das schon. Vor superlativen Selbstanbetungen … Ich bin der Größte … wird allerdings gewarnt. Das glaubt das Ich, zumindest wenn es kein Narzissten-Ich ist, dann doch nicht.

„Sie gehen mir auf die Nerven.“

Als weitere Funktion des Selbstgesprächs gilt die soziale Bewertung. Das Vorsagen wird zu einer Art Empathie-Übung. Man testet schon mal, wie es sich anhören würde, wenn man jemand Anderem etwas Bestimmtes sagt. Oft lässt man es dann.

In vielen Fällen hilft die vernehmliche Ich-Unterhaltung dabei, Emotionen und Situationen klarer einzuschätzen, zu sortieren und leichter Entscheidungen zu treffen.

Ein gesunder Nebeneffekt des Selbstgesprächs ist der Stressabbau. Frust, Trauer, Ärger und aggressive Gedanken? Lassen Sie’s raus, und zwar laut! Das muss einfach mal gesagt werden.

Selbstgespräche
Sag sie jetzt nichts Falsches!

Vorsicht ist geboten bei der vierten Funktion des Selbstgesprächs, der Selbstkritik. Auch wenn man vorübergehend durch lautstarke Selbstbeleidigungen … Ich Blödmann! … Dampf ablassen kann, sollten Ich-Dialoge grundsätzlich nicht zu negativ sein. Bevor man sich autosuggestiv ins Unglück redet … Das wird eh nichts …, sollte das selbstkritische Ich-Gespräch zumindest in eine positive Aussage münden … Das ist noch nichts … oder … Ich mache jetzt einen Plan, damit es etwas wird. Auch hier dient die Tommy-an-Haasi-Rede als Musterbeispiel: Vom … Ich bin einfach zu blöd … zum … Du gewinnst.

Interessant ist dabei auch Haas‘ Wechsel in der Ansprache, also vom Ich zum Du. Eine weitere US-Studie hat ergeben, dass die Überzeugungskraft des Selbstgesprächs steigt, wenn man nicht in der Ich-Form mit sich spricht. Das Du erhöht den Abstand zu sich selbst und macht den internen Dialog nachdrücklicher. Doch nicht zu toppen ist die suggestive Kraft der dritten Person. Vermutlich noch ein paar Asse mehr hätte der Tenniscrack serviert, hätte er zu sich gesagt Haasi gewinnt.

Aber bin ich nicht doch ein bisschen schräg, wenn ich mir unter der Morgendusche verkünde …Heute ist Rita richtig gut drauf. Sie geht erst mal eine Stunde spazieren und schreibt dann einen schönen Artikel …? Wissenschaftlich betrachtet wird der Tag wahrscheinlich ein Erfolg. Doch die Selbstansprache in der dritten Person ist zugegebenermaßen ziemlich gewöhnungsbedürftig.

Pathologisch wird das Selbstgespräch dann, wenn der oder die inneren „Gesprächspartner“ andere Personen sind. Ein entscheidender Unterschied zwischen dem „normalen“ Selbstgespräch und dem des psychisch Erkrankten ist, dass ein Halluzinierender beispielsweise bei einer Schizophrenie nicht mit dem Selbst, sondern mit imaginären Fremden spricht.

„Gesunde“ Selbstgespräche jedoch fördern das Gedächtnis … Den Roman habe ich Katharina geliehen … unterstützen die Konzentration … Du drückst erst auf Speichern und dann auf Schließen …, leiten Stress ab … Verdammte Hacke! … und steigern das Selbstwertgefühl und die Leistungsfähigkeit … Die Rita hat das drauf. Selbstgespräche sind rehabilitiert und müssen uns allein zu Haus niemals peinlich sein. Irritierte Blicke anderer lassen sich allerdings kaum vermeiden, wenn man sich in der Öffentlichkeit angeregt mit sich unterhält. Doch dafür gibt es in der wunderbaren Technikwelt eine unschlagbare Lösung: Einfach Handystöpsel ins Ohr und losgeschwätzt.

English Version

Healthy soliloquies – speak up!

Have you said anything to yourself today? That’s good, because soliloquy has important functions for our well-being. Unfortunately, they can also really get you down. If you live alone and can’t or don’t want to go among people, as is currently the case, then the ego is your first choice as a conversation partner. Here are a few tips on how to talk to yourself properly.

The most important thing first of all: soliloquies are completely normal and, according to estimates by US researchers, are conducted by 96 percent of people. Children naturally think aloud and only keep their thoughts to themselves from around five years of age. This then remains so, especially in the presence of other people. The reason is understandable. Self-talk is also part of the symptomatology of certain mental illnesses. Therefore, when talking to oneself, one usually feels a bit weird.

There is no reason to do so, because psychological research has found out some positive effects of soliloquy. One is particularly interesting for older people, for whom the short-term memory is not what it used to be: self-talk increases memory capacity. According to a study by the University of Wisconsin, there is a significant difference in memory between just thinking something or saying it loud and clear to yourself.

Whoever comes from southern Germany may know the sentence that you have to say to yourself when looking for something that you have mislaid … Saint Anthony, man of the cross, take me to where my thingamabob can be … and the astonishing fact that you can almost always find the thingamabob again.

Without evidence from brain scans, it can be claimed here that psychological experiments worked in a similar way, in which the loud thinking subjects were able to concentrate better and remember or find things better.

The American soliloquy researcher Thomas Brinthaupt sees four main functions of self-talk:

  • Self Management
  • Self-affirmation
  • Social evaluation
  • Self-criticism

An example of self-management: Increased retentiveness through self-talk also improves the organisation of life. For example, you can quietly and silently put projects on a to-do list, where they often remain parked. Or you can speak out your plan loud and clear. What you say to yourself is not only in your head, but also wants to get out. So you put it into practice. Maybe you just have to say it twice.

If you want to achieve something, you should talk to yourself for self-affirmation. In sports psychology, soliloquy is regarded as an important measure for improving performance. Tennis player Tommy Haas delighted his audience at the Australian Open with a textbook example when the high-performance microphones captured his self-talk during the match. After a few mistakes Haas began to curse himself … You can’t win like this Haasi …, then he made his feelings clear … I’m not in the mood anymore … and at the end of his dramatic suada he assured himself … But you’ll win. Then he won.

Enduring an unpleasant situation, doing sports, cooking something sophisticated – whatever challenges you take on, talk about them with yourself. A good sentence: I can handle it. However, superlative self-worship … I am the greatest … is cautioned against. That’s what the ego believes, at least if it’s not a narcissistic ego, then not at all.

Another function of the soliloquy is social evaluation. The talking becomes a kind of empathy exercise. You test how it would sound if you told someone else something. Often you then leave it at that.

In many cases, verbal ego conversation helps to assess emotions and situations more clearly, to sort them out and to make decisions more easily.

A healthy side effect of the soliloquy is the reduction of stress. Frustration, sadness, anger and aggressive thoughts? Let it out, and let it out loud! It just needs to be said.

Caution is advised with the fourth function of self-talk, self-criticism. Even if occasional loud self insults… I’m stupid! …can bring relief, ego-dialogues should not be too negative. Before you autosuggestively talk yourself into unhappiness … That won’t work anyway … if the self-critical self-talk should at least lead to a positive statement … This is not yet working … or … I’m now making a plan to make it work. Here, too, the Tommy-to-Haasi speech serves as a prime example: From … I’m simply too stupid … to … You win.

Haas’s change in address is also interesting here, i.e. from the I to the You. Another US study has shown that the persuasive power of self-talk increases when you don’t speak to yourself in the first person. The „you“ increases the distance to oneself and makes the internal dialogue more forceful. But not to be topped is the suggestive power of the third person. The tennis crack would probably have served a few more aces if he had said to himself: Haasi wins.

But aren’t I a little weird when I announce myself in the morning shower …Rita is in a really good mood today. She’ll go for a walk for an hour and then write a nice article …? From a scientific point of view the day will probably be a success. But the self-address in the third person is admittedly a bit of an adjustment.

The self-talk becomes pathological when the inner „interlocutor“ or interlocutors are other people. A decisive difference between „normal“ self-talk and that of the mentally ill person is that a hallucinating person, for example in schizophrenia, does not talk to the self but to imaginary strangers.

„Healthy“ soliloquies, however, promote the memory … I lent the novel to Katharina … support the concentration … You first press save and then close …, drain stress … Damn it! …and increase self-esteem and performance … Rita has got what it takes. Talking to yourself is rehabilitated and never has to be embarrassing at home alone. However, irritated looks of others can hardly be avoided if you have a lively conversation with yourself in public. But there is an unbeatable solution for this in the wonderful world of technology: simply put a mobile phone plug in your ear and start talking.

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