Respekt vor Älteren? Laut einer internationalen Umfrage sieht es in der deutschen Gesellschaft damit mau aus. Unteres Mittelfeld in 101 Ländern. Dabei liefert dieselbe Studie den besten Grund, dies zu ändern. Nicht nur die Alten würden von mehr Respekt profitieren. Die wertschätzende Einstellung gegenüber dem Alter würde auch den noch Jungen zu einem gesünderen und längeren Leben verhelfen. Selbst wenn diese sich noch nicht vorstellen können, dass auch sie eines Tages eventuell vielleicht möglicherweise mal älter sind.
Was ist eigentlich Respekt? In Deutschland wird der Begriff oft mit Gehorsam in einer Hierarchie verbunden. So bekam der Respekt seit der 68er-Bewegung einen negativen Klang. In der Formulierung „Respekt vor jemandem“ schwingt sogar das Gefühl von Scheu und Vorsicht mit. Die aus dem englischen Sprachgebrauch stammende Wendung „Respekt für jemanden“ (respect for somebody) ist im Duden noch nicht angekommen.
Respekt vor und für
Dabei würde sich „Respekt für“ in Ergänzung zu „Respekt vor“ bestens eigenen, um das Wort genauer zu definieren. Der amerikanische Philosoph Stephen Darwall unterscheidet zwischen bewertendem und anerkennendem Respekt. In diesem Sinne beschreibt die Forschungsgemeinschaft Respect Research Group zwei Erscheinungsformen:
- Vertikaler Respekt: Achtung von unten nach oben, zum Beispiel als Hochachtung vor der Leistung eines anderen
- Horizontaler Respekt: Wertschätzung eines anderen als gleichwertig aus sich selbst heraus im Sinne der Menschenwürde
Sprachlich könnte also „Respekt vor“ auf den vertikaler Respekt, „Respekt für“ auf den horizontalen Respekt hindeuten.
Was nun die älteren Mitglieder einer Familie oder Gesellschaft angeht, kann man ihnen sicher vertikalen Respekt, zum Beispiel vor der Lebensleistung, zollen.
Bedeutsamer dürfte sein, dass die älteren Mitmenschen, die sich nicht mehr in beruflichen und familiären Pflichten bewähren müssen oder können, um ihrer selbst willen anerkannt werden. Anders gesagt: Als horizontal respektierte bekämen ältere Menschen Wertschätzung für ihre neue Rolle.
Lebensqualität für alle
Wenn dies gelänge, könnte eine wahre Win-Win-Situation entstehen. Denn wer positiv und wertschätzend über das Alter denkt, hat statistisch bessere Chancen, selber gesund und fit zu bleiben. Der Rechercheverband Orb Media, der zusammen mit der Wochenzeitung Die Zeit die relative Respektloskeit der Deutschen gegenüber ihren Alten eruiert hat, sieht seine Umfrageergebnisse in einer Studie der Yale-Professorin Becca Levy bestätigt. Demnach lohnt es sich, eine respektvolle Meinung vom Alter zu haben, weil man dann selber weniger an Ängsten leidet, sich schneller von Krankheiten erholt und mit geringerer Wahrscheinlichkeit an Demenz erkrankt.
Bliebe die Frage: Wie soll sich der Wandel zu mehr Respekt vor Älteren / für Ältere einstellen? Bei einer Haltung lässt sich nicht einfach ein Schalter umlegen. Experten raten, das Thema Älterwerden mit positiven Bildern zu verbinden. Zum Beispiel mit der Erkenntnis, dass man die Vorteile der späteren Lebensphasen genießen sowie Herausforderungen anpacken kann. Cool Aging ist gefragt.
Sicher schadet es nicht, eine positive Haltung und Respekt gegenüber dem Alter in kleinen alltäglichen Einheiten auszuleben. Wichtig wäre dabei wohl, dass nicht Höflichkeiten abgespult werden, sondern der ältere Mensch in seiner persönlichen Verfassung erkannt und anerkannt wird.
Sitzenbleiben oder Siezen?
Ein klassisches Beispiel ist das Platzanbieten im vollbesetzten Bus. Ob die ältere Frau oder der ältere Mann sich viel zu fit fühlen und den Platz gar nicht wollen, lässt sich im Zweifel durch einen kurzen freundlichen Dialog schnell aushandeln. Und wie hält man es mit dem Siezen? Viele Ältere bleiben gerne bei dieser Höflichkeitsform der Anrede. Andererseits: Werden Ältere in einer Gruppe mit Jüngeren – zum Beispiel beim Sport – gesiezt, können sie sich leicht ausgegrenzt fühlen. Auch hier hilft es einfach zu fragen.
Nicht vergessen: Umgekehrt gehört zum positiven Altersbild natürlich auch der Respekt der Älteren vor den Jüngeren / für die Jüngeren. Cool Ager hätten da ein paar Vorschläge. Ältere
- grenzen sich nicht von nachfolgenden Generationen ab
- interessieren sich ehrlich für die Belange der Jüngeren
- erkennen die Unabhängigkeit Jüngerer an
- wertschätzen die Leistungen der Jüngeren
Für alle Generationen gilt: Respekt ist Arbeit. Aber vielleicht schneiden wir dann bei der nächsten Respekt-Umfrage besser ab.
English Version
Germans lack respect for their elders. One solution: Cool Aging
Respect for elders? According to an international survey, German society is looking in a bad light. Lower midfield in 101 countries. The same study provides the best reason to change this. Not only the elderly would benefit from more respect. The appreciative attitude towards old age would also help young people to live healthier and longer lives. Even if they can’t yet imagine that one day they might be older, too
What is respect anyway? In Germany, the term is often associated with obedience in a hierarchy. Since the 68 movement, respect has had a negative sound. In the phrase „Respekt vor jemandem“ even the feeling of shyness and caution resonates. The English phrase „respect for somebody“ („Respekt für jemanden“) has not yet arrived in the German dictionary Duden.
„Respekt für“, in addition to „Respekt vor“, would be a good way to define the word more precisely. The American philosopher Stephen Darwall distinguishes between evaluative and appreciative respect. In this sense, the Respect Research Group describes two manifestations of respect:
- Vertical respect: respect from bottom to top, for example as a tribute to someone else’s performance.
- Horizontal respect: appreciation of another as equal out of oneself in the sense of human dignity
Linguistically, „Respect vor“ could therefore indicate vertical respect, „Respekt für“ horizontal respect.
As far as the older members of a family or society are concerned, we can certainly pay them vertical respect, for example for their life’s work.
More importantly, older people who no longer have to or are no longer able to prove themselves in professional and family duties are recognised for their own sake. In other words, as horizontally respected, older people would be valued for their new role.
Quality of life for all
If this could be achieved, a true win-win situation could arise. Because those who think positively and appreciatively about old age have statistically better chances of staying healthy and fit themselves. The research association Orb Media, which together with the weekly newspaper Die Zeit has investigated the Germans‘ relative disrespect for their elders, sees its survey results confirmed in a study by Yale professor Becca Levy. According to the study, it is worth having a respectful opinion of old age, because then one suffers less from fears, recovers more quickly from illnesses and is less likely to suffer from dementia.
One question remaines to be answered: How should the change to more respect for older people take place? With an attitude, you can’t just flip a switch. Experts recommend combining the topic of aging with positive images. For example, with the realization that one can enjoy the advantages of later phases of life and tackle challenges. Cool aging is in demand.
Certainly it does not hurt to live out a positive attitude and respect for old age in small everyday units. It would be important not to do routines of being polite, but to recognize and appreciate the elderly person in his or her personal condition.
A classic example is offering a seat in a fully occupied bus. Whether the older woman or the older man feels much too fit and doesn’t want the seat at all, can be quickly negotiated through a short friendly dialogue. And what about the „Siezen“, the German formal term of addressing someone? Many older people like to stick to this form of courtesy. On the other hand, if older people are treated in a group with younger people – for example in sports – they can easily feel excluded. Here, too, it helps to simply ask.
Don’t forget: Conversely, the positive image of old age naturally also includes the respect of older people for younger people. Cool Agers have a few suggestions. Older
- do not distinguish themselves from future generations
- are honestly interested in the concerns of the younger ones
- recognise the independence of younger people
- appreciate the achievements of the younger generation
For all generations, respect is work. But maybe we will do better in the next respect survey.