Uns Boomern ist sie ein Begriff: die schwäbische Hausfrau. Eigentlich steht sie für sparsames Wirtschaften, aber auch für makellose Sauberkeit im Haushalt. Freilich kann diese Dame auch ein Mann sein oder woanders wohnen. Vor allem in der Küche steckt sie doch auch in uns, oder? Wie steht es aber mit der Lebensmittelhygiene draußen? Leider fehlt den Anbietern oft nicht nur der Schwaben-Spirit, sondern schlicht auch Zeit und Personal. Was kann man tun?
Wir gehen essen, wir kaufen ein. Oder wir werden in einer Großküche einer Institution bekocht. Bei all dem sind wir auf das Einhalten von Hygienestandards angewiesen. Dafür gibt es die amtliche Lebensmittelkontrollen. Die Gesundheits- und Verbraucherschutzbehörden prüfen Tausende Betriebe. Und bei dem bekannten Touristenhinweis „Boil it, cook it, peel it or forget it“ denkt man kaum an die heimischen Gefilde. Gefühlt herrscht also „innere Sicherheit“ beim Essen.
Bei genauerem Hinsehen braucht man beim Genuss außer Haus allerdings doppeltes Vertrauen: auf den Gastronomen und aufs eigene Immunsystem.
Wieso schreibe ich das heute? Neulich in einer deutschen Großstadt wieder lecker essen gewesen. Stimmung super, Deko toll, Licht schummrig. Aber die Flusen am Boden, die Fettflecken auf dem Stuhl, die fehlende Seife auf dem Klo? Augen zu und Kopfkino aus, alles schmackhaft und verträglich. Wie ja fast immer.
Doch leider fielen mir einige Erlebnisse aus einer anderen deutschen Großstadt wieder ein.
Im Restaurant: „Mama, Mama, ich hab eine Maus gesehen“, rief das begeisterte Gästekind ins voll besetzte Restaurant, nachdem es in der Küche „helfen“ durfte.
Vor dem Café: das Mäuschen, dem wir beim weihnachtlichen Abendspaziergang durchs beleuchtete Fenster beim Tanz in den offen gelagerten Plätzchen zusahen.
In der Konditorei: der stattliche Mäuserich, der in der Käsesahnetorte saß, von der ich gerade zwei Stück kaufen wollte.
Nach dem Bäckerei-Einkauf: die zwei gut durchgebackenen Mäusekötel, die mir nach dem Biss ins Hefebrötchen entgegenprangten.
Im Fünf-Sterne-Hotel: die Schadnager (Fachjargon) unter der Bank im Bistro, wo wir lieber die Füße hochnahmen.
Und immer mal wieder kam es tatsächlich vor, dass mein Körper die auswärts integrierten Speisen im Streit vorzeitig wegschickte.
Wenn es Experten den Appetit verschlägt
Ausnahmen? Schlechte Tagesform? Da fragt man doch mal nach, zum Beispiel den Kammerjäger, ob er selber eigentlich essen gehe. Erstmal Schweigen, dann: „Selten. Und niemals im Bahnhofsviertel. Da wohnt die orientalische Küchenschabe. Schwierig.“
Langes Interview in einer deutschen Tageszeitung mit dem hiesigen Chef-Lebensmittelkontrolleur: Seine Freunde nähmen ihn nicht gern zum Essen mit, da er durch seine Angespanntheit die Stimmung verdürbe.
Für Nicht-Experten gibt es zwei Strategien, sich den Appetit nicht verderben zu lassen. Entweder das Thema Sauberkeit ignorieren (einfach) oder in die Restaurants mit nachweislich vorbildlicher Lebensmittelhygiene gehen (nicht so einfach).
Niemand wird gezwungen, sich mit Informationen über Hygienesünder zu befassen, allerdings kommen Interessierte auch nicht so leicht ran.
In Hamburg beispielsweise dreht man den Spieß um: Sollen doch die Gastronomen mit ihrer Sauberkeit werben! Nach überstandener Betriebskontrolle können sie ein Hygienesiegel beantragen, zum Aushängen am Eingang, wo es sich neben dem Feinschmecker-F oder sonstigen Stickern gut machen würde. Das Problem der Freiwilligkeit: Kaum einer macht mit. Vielleicht möchte man die Gäste gar nicht erst auf den Hygiene-Gedanken bringen.
In Hessen gibt es für informationshungrige Verbraucher eine Hygienemängelplattform. Dort werden die schlimmsten Fälle, nämlich Betriebe, die mit Schließung und Strafgebühr bestraft wurden, samt äußerst ausführlicher Beschreibung der gefundenen Mängel (nur für starke Nerven) für einige Zeit aufgelistet. Man erfährt zum Beispiel, dass in der Zuckerschublade noch die Fußabdrücke der Schadnager zu sehen waren. Oder sich hier und da rötlicher Schleim gebildet hat. Manchmal ist nicht die Küche, sondern das Lager pfui. Auch das Datum der bestandenen Nachkontrolle und Wiedereröffnung ist nachzulesen. Die Strategie, am besten die geprüften und nachkontrollierten Etablissements zu besuchen, geht leider nicht immer auf. Einige Betriebe tauchen wiederholt im Hygiene-Portal auf und haben die Kosten ihres laxen Umgangs mit der Lebensmittelhygiene offenbar eingepreist.
Im Land der schwäbischen Hausfrau, sprich Baden-Württemberg, informiert das Ministerium für Ernährung, ländlichen Raum und Verbraucherschutz auf seiner Website ebenfalls ausführlich über entdeckte Verstöße gegen Hygienevorschriften.

Was die Beispiele zeigen: Es gibt keine bundeseinheitliche Regelung. Auf den Internetseiten des jeweiligen Landesbehörde muss man herausfinden, was über den gastronomischen Hygienestatus zu erfahren ist. In manchen übrigens gar nichts.
Wer genügend Zeit und Nervenkraft hat, kann immerhin recherchieren, wie es um die Hygiene des Betriebs xy bestellt ist. Mithilfe der Website FragDenStaat unter dem Thema „TopfSecret“ ist es dank einer Initiative der Verbraucherorganisation foodwatch möglich, Auskunft über das aktuelle Kontrollergebnis eines bestimmten Betriebs zu beantragen. Die Ämter sind nach dem Verbraucherinformationsgesetz zur Veröffentlichung auf Anfrage verpflichtet. Jeder Betrieb muss einzeln angefragt werden, die Antwort dauert, und bei mehreren Anfragen kostet es Geld.
Vor einigen Monaten hat das Handelsblatt eine Liste zur Restaurant-Sauberkeit in 20 deutschen Städten veröffentlicht. Die beiden Extreme nach diesen Recherchen, angeblich bei gleicher Kontrolldichte ermittelt: In Bielefeld kocht man lieber zuhause, in Bonn hat der Schmuddel keine Chance.
Essen wie Gott in Dänemark
Aber die hygienische Wahrheit liegt meist in der Mitte, und solche Rankings zeigen lediglich, wie groß die regionalen Unterschiede sind. Die Verbraucher sind in Deutschland allein gelassen, solange es keine verbindlichen Hygienezertifikate gibt wie zum Beispiel in Dänemark.
Bei uns gilt in dubio pro reo. Ein Argument für den zaghaften Umgang mit Transparenz ist, dass der Betrieb nach dem Sündenfall schnell wieder eine reine Weste haben kann, zum Beispiel durch einen Sinnes- oder Managementwandel, und dann wegen Veröffentlichung des dreckigen „Schnees von gestern“ die Gäste wegbleiben. Die Gastronomen sprechen gern von einem Internet-Pranger. Vor einem dauerhaften Imageschaden schützt sie allerdings das Gesetz, nach dem Mängel-Veröffentlichungen zeitlich begrenzt sein müssen.
Probleme bei der Personalsuche, steigende Kosten – das alles ist bekannt. Dennoch stellt sich die Frage, ob ausgerechnet bei der Hygiene, das heißt bei Sauberkeit, Kühlung oder Kammerjäger gespart werden beziehungsweise die Gastronomie besseren Schutz als Verbraucher genießen sollte. In Dänemark ist seit Einführung der Hygiene-Ampel kein Massensterben der Betriebe bekannt, sondern dass sich die Zahl der Beanstandungen halbiert hat.
Muss ich mich jetzt ekeln? Hierzulande beruhigt immerhin der Fakt, dass von Abertausenden Betrieben lediglich ein Bruchteil bei der Hygieneprüfung durchfällt. Und vergessen wir einfach, dass diese schwarzen Schafe immer noch eine zu große Herde bilden und foodwatch mit der Anzahl der Kontrollen überhaupt nicht zufrieden ist. Also lassen wir’s uns schmecken.
2 Kommentare
Ich verweise auf den Titel des Blogs: Ist der Darm schon immunisiert, frisst‘s völlig ungeniert oder so… In diesem Sinne: Cool bleiben und auf zum leckersten Dönerstand von Erlangen!
😉 Motto: Mach Dich locker, dann ist’s lecker. Meistens sorgt schon der Hunger dafür. Es gibt dennoch Grenzen. Das Grauen kennen übrigens nicht nur Kontrolleure und Kammerjäger. Neulich erzählte mir ein Handwerker von einem Reparaturauftrag in einem hiesigen Restaurantbetrieb. Die Installateure zogen umgehend wieder ab. Aus dem kaputten Gerät kamen ihnen zu viele Ratten entgegen.