Sehen wir’s mal so: Alt werden bedeutet nicht zu sterben. Diese Sichtweise ist nett verpackt im Bonmot von Robert Lembke: Alt werden ist natürlich kein reines Vergnügen Aber denken wir an die einzige Alternative. Oder man verlegt sich vorläufig auf die Einstellung des bayerischen Kabarettisten Fredl Fesl: Wir alle müssen einmal sterben, vielleicht sogar ich.
Wenn ein aktueller Buchtitel ankündigt, wie man nicht stirbt, erregt das in der Tat unsere Neugier. „How not to die“ heißt ein New York Times-Bestseller, verfasst von dem amerikanischen Arzt Michael Greger und inzwischen auch auf Deutsch erschienen. Um dem Titel ein bisschen das Reißerische zu nehmen, erlauben wir uns eine gedankliche Ergänzung. Wir interessieren uns also dafür, how not to die, bevor es unbedingt notwendig ist.
Essen wider das Krankwerden
Es geht – das überrascht nicht wirklich – um die Auswirkung der Ernährungsweise auf die Gesundheit. Die Erkenntnis, dass das eine mit dem anderen zu tun hat, ist inzwischen ein medialer Dauerbrenner. Doch beklagt der Autor des Buches die geringe Rolle der Ernährungswissenschaft im Medizinstudium und folglich in der Praxis.
So sei der einzige Mediziner, der ihn je nach den Ernährungsgewohnheiten eines Familienmitglieds gefragt hätte, der Tierarzt gewesen.
Fokus Therapie
Der Schwerpunkt der Medizin, so Greger, liege auf dem Therapieren von Krankheiten mittels Medikamenten und chirurgischen Eingriffen, während die Behandlung und vor allem Vermeidung von Krankheiten durch gesunde Ernährung unterbelichtet seien. Gregers Anliegen ist es, durch seine Vorträge und Veröffentlichungen Licht darauf zu werfen. In seinem Buch führt der Autor die häufigsten todbringenden Krankheiten der USA auf – z. B. Herzinfarkt, Krebs, Schlaganfall, Diabetes – und erläutert, welche Lebensmittel und welche Nahrungszusammenstellung dazu beitragen können, Krankheiten zu vermeiden, aufzuhalten oder sogar zurückzudrängen. Das Ziel ist klar: nicht sterben, sondern alt werden.
Die Wirkung der (frischen) Pflanzen
Greger kommt anhand einer überaus breiten empirischen Grundlage zu dem Schluss, dass eine evidenzbasiert gesunde Ernährungsweise pflanzenbasiert ist. Andere Ernährungsapologeten mögen ihm auf Basis anderer Studien oder Auslegung von Studien zum Teil widersprechen. Selbstverständlich hat „How not to die“ – Bestseller oder nicht – das Potential, die Anhänger liebgewordener Essgewohnheiten in kognitive Dissonanz zu versetzen. Doch bevor mancher Fleischliebhaber bei dem Stichwort „vegan“ reflexartig abwinkt, kann er sich dennoch von Gregers anschaulichen Erläuterungen zur Wirkung von Nahrung auf den Körper zur Lektüre des Buches verleiten lassen. Selbst Vegetarier finden grundlegende Verbesserungsvorschläge. Sie sind laut Greger vor ernährungsbedingten Krankheiten nicht gefeit, sofern sich ihre Ernährung vornehmlich aus industriell verarbeiteten fleischlosen Produkten zusammensetzt.
Spaß statt Sterben
Essen ist emotional, das wissen wir, und wen das tägliche Wurstbrot beglückt, nimmt es tatenlos hin, dass die Weltgesundheitsorganisation das Krebsrisiko durch Wurstverzehr analog zum Rauchen amtlich bestätigt hat. Mit genügend Dusel kann man so auch alt werden. Andererseits könnte man ein bisschen Unsterblichkeit mal ausprobieren. Dafür kann das Buch schließlich nur ein Anfang sein, der im klugen Kauf und der leckeren Zubereitung hochwertiger Lebensmittel seine Fortsetzung findet. Wenn dieses Essen nicht nur gesund ist, sondern auch schmeckt und womöglich noch viel Bewegung, Gelassenheit und soziale Kontakte das Leben verlängern, könnte es durchaus Spaß machen nicht zu sterben.