Wigilia: Was wir vom polnischen Heiligabend lernen können

Wigilia, von lateinisch vigilare (wachen), ist eigentlich der Name für das Weihnachtsessen an Heiligabend in Polen. Im Lauf der Zeit ist es zum Synonym für den ganzen Vortag beziehungsweise Vorabend des Weihnachtsfestes geworden. Das Spektakulärste daran ist sicher, dass es aus 12 Gängen besteht.

Bei näherem Hinsehen entdeckt man in der Wigilia über den Essensbrauch hinaus einige wunderbare Gepflogenheiten, die uns ein paar wichtige Botschaften zur Weihnacht übermitteln.

Wigilia
Kinder haben den besten Draht zum Christkind

Wann die Wigilia beginnen kann, sehen die Kinder im Universum nach. Sie haben die wichtige Aufgabe, draußen nach dem ersten Stern am Himmel zu spähen. Der steht dann für den Stern von Bethlehem. Wer ihn entdeckt hat, sagt Bescheid.

Sharing is Caring

Vor dem Essen kommt die (zum Glück leicht verdauliche) Weihnachtsoblate auf den Tisch. Sie wird von allen Anwesenden geteilt. Jeder der Feiernden zerbricht seine Oblate und teilt diese Stücke wiederum mit den anderen Familienmitgliedern als Symbol der Liebe und Freundschaft. Dabei wünscht man sich gegenseitig reichlich Glück und überhaupt alles Gute fürs neue Jahr.

An Weihnachten ist Streiten tabu

Bei all dem Weihnachtsstress kracht es gerne mal im familiären Miteinander. Nicht so in Polen. Dank der Wigilia-Regeln ist für Disziplin und Frieden gesorgt. Es heißt nämlich: Wer am 24. Dezember Stress macht und Streit anzettelt, der wird das ganze kommende Jahr über Stress und Streit haben. Da lohnt es, an sich zu halten.

Wigilia
An Weihnachten denken wir auch an die, die nicht (mehr) dabei sein können

Auf dem Tisch der Wigilia gibt es stets ein extra Gedeck. So ist man – ganz im Sinne der Weihnachtsgeschichte– bereit für die Aufnahme eines Gastes, der noch nach einer heiligabendlichen Bleibe sucht. Oder man stellt sich vor, dort sitzt ein verstorbenes Familienmitglied, um ebenfalls am Weihnachtsabend teilzunehmen. Sollte allerdings doch noch ein lebendiger Gast auftauchen, wedelt man ein bisschen mit der Hand, damit der oder die Verstorbene Platz macht.

Ein Festessen braucht kein Fleisch
Wigilia

Zu den zwölf Gängen der Wigilia, die nicht unbedingt wie im Sterne-Restaurant, sondern praktischerweise im Buffet-Stil serviert werden, gehören unter anderem die Rote-Bete-Suppe Borschtsch, Teigtaschen mit Füllung, zum Beispiel aus Sauerkraut und Pilzen, Rotkohl mit getrockneten Pflaumen, Pilzsuppe, eingelegter Hering, Karpfen in Gelee, Desserts, aber kein Fleisch. Dieses pesco-vegetarische Festschmaus-Konzept finden die zwölf Apostel, auf die die Anzahl der Gänge zurückgeht, sicher auch gut.

Geschenkebringer kann man nie genug haben

Nach dem Abendessen überreicht man sich die Geschenke. Wie in anderen Ländern wurden die wahlweise vom Weihnachtsmann oder vom Christkind gebracht. In Polen kann es aber auch der Sternemann beziehungsweise der kleine Stern gewesen sein.

Zu einem Heiligen Abend gehört die Mitternachtsmesse

Zum Abschluss der Wigilia besucht man um Mitternacht gemeinsam die einstündige Hirtenmesse, die Pasterka, zur verdau-, äh, erbaulichen Besinnung.

Wesołych świąt (fröhliche Weihnachten)!

English Version

Wigilia: What we can learn from Polish Christmas Eve

Wigilia, from the Latin vigilare (to keep watch), is actually the name given to Christmas dinner on Christmas Eve in Poland. In the course of time, it has become a synonym for the whole day before, or the eve of Christmas. The most spectacular thing about it is certainly that it consists of 12 courses.

If you take a closer look at the Wigilia, you will discover some wonderful customs that go beyond the use of food, which will send us some important messages about Christmas.

Children have the best connection to the Christ Child

The right time to start with Wigilia is something that children check out in the universe. They have the important task of looking outside for the first star in the sky. The first star in the sky will be the Star of Bethlehem.

Sharing is Caring

Before the meal the (fortunately easily digestible) Christmas oblate is put on the table. It is shared by everyone present. Each celebrant breaks his or her oblate and shares it with the other family members as a symbol of love and friendship. They wish each other good luck and all the best for the New Year.

Arguing is forbidden at Christmas

With all this Christmas stress, family life can get a little rowdy. Not so in Poland. Thanks to the Wigilia rules, discipline and peace are ensured. They say: Whoever causes stress and quarrels on December 24th will have stress and quarrels the whole coming year. So it is worth sticking to yourself.

At Christmas we also think of those who cannot be there (anymore)

There is always an extra place setting on the Wigilia’s table. This way – in the spirit of the Christmas story – one is ready to receive a guest who is still looking for a Christmas Eve place to stay. Or one can imagine a deceased family member sitting there, also to participate in Christmas Eve. But if a living guest does turn up, you wag your hand a little so that the deceased person clears the place.

A feast needs no meat

Among the twelve courses of the Wigilia, which are not necessarily served like in a star restaurant but conveniently in buffet style, are the beetroot soup borscht, dumplings with filling, for example made of sauerkraut and mushrooms, red cabbage with dried plums, mushroom soup, pickled herring, carp in jelly, desserts but no meat. This pesco-vegetarian feast concept is certainly appreciated by the twelve apostles, to whom the number of courses goes back.

You can never have too many present providers

After dinner, the presents are handed over to each other. As in other countries, they were brought either by Santa Claus or the Christ Child. In Poland it could also have been the star man or the little star.

A Christmas Eve needs midnight mass

At midnight, at the end of the Wigilia, the group attends the one-hour shepherd’s mass, the Pasterka, for digestive, uh, edifying reflection.

Wesołych świąt (merry Christmas)!

1 Kommentar

So ein schöner Artikel, ich bekomme nicht nur Hunger, sondern auch Lust auf Kochen! Wie wäre es mit Teigtaschen aus den Resten des Weihnachtsbratens, Gans mit einem Klecks Rotkohl z.B. ?

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