Vorsorge – Plötzlich intensiv, wer vertritt meine Interessen?

Ärzte berichten immer wieder, dass manche Corona-Patienten mit milden Symptomen innerhalb von Stunden intensivpflichtig werden. Das allein ist dramatisch. Hinzu kommt: Der Patient ist möglicherweise für Wochen außer Gefecht und hatte zu wenig Zeit zu bestimmen, wer nun Entscheidungen für ihn treffen soll. Die Viruskrise kann dazu anregen, jetzt Vorsorge zu treffen oder bestehende Vollmachten zu aktualisieren.

Wer sagt für mich, wie ich behandelt werden will? Wer übernimmt für mich Verantwortung über Verträge und Zahlungen? Das kann man in einer Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht festlegen. Ausführliche Informationen darüber, was die Dokumente leisten und wie man sie inhaltlich und rechtskräftig erstellen kann, finden Sie hier.

Vollmachten für den Ernstfall sind den meisten ein Begriff oder liegen sogar schon als Entwurf irgendwo zuhause herum. Doch halbe Sachen bringen nichts. Und für das Corona-Risiko sind zusätzliche Punkte zu beachten.

Hier sollen einige Fragen zur Vorsorge beantwortet werden, die mit berechtigtem Zweifel gestellt werden.

Wenn ich auf der Intensivstation liege, entscheiden doch automatisch mein Mann/meine Frau/meine Kinder/Geschwister für mich, oder?

Nein. Der nicht mehr geschäfts- und entscheidungsfähige Mensch wird nach deutschem Recht ein Fall fürs Gericht. Der Richter bestimmt einen Betreuer, der zwar ein Angehöriger sein kann. Dafür gibt es aber keine Garantie. Es kann auch ein gesetzlicher Betreuer, also ein völlig fremder Mensch, damit beauftragt werden, die Angelegenheiten des Kranken zu regeln. Wer das verhindern möchte, muss eine Person seines Vertrauens mit einer Vorsorgevollmacht ausstatten.

Ich hab ja schon länger meine Patientenverfügung. Damit bin ich doch für den Fall einer Corona-Intensivbehandlung auf der sicheren Seite, oder?

Nicht unbedingt. Es wird generell empfohlen, eine ältere Patientenverfügung regelmäßig zu aktualisieren. Das bedeutet, dass der Verfügende das Dokument mit Ortsangabe und Datum erneut unterschreibt. Darüber hinaus sollte man die Inhalte der Patientenverfügung überprüfen. Soll bei einer Corona-Infektion eine Intensivtherapie so eingeschränkt erfolgen wie festgelegt oder möchte man in diesem Fall doch, dass alle Behandlungsmöglichkeiten angewendet werden, beispielsweise auch die zuvor abgelehnte langfristige maschinelle Beatmung? Je genauer die Angaben, desto leichter ist es für den Arzt, nach dem Patientenwillen zu handeln. Konkrete Formulierungen zu dieser Vorsorge bespricht man am besten mit einem medizinischen Experten (keine Kassenleistung). Zusätze, die eine Covid-19-Behandlung betreffen, müssen ebenfalls mit Ort, Datum und Unterschrift versehen werden.

Vorsorge
Eine Vorsorgevollmacht ist mir zu umfangreich. Für den Corona-Notfall reicht doch meine Patientenverfügung, oder?

Nicht wirklich. Selbst wenn Angehörige mit einer unterzeichneten Patientenverfügung des Erkrankten ins Krankenhaus kommen, heißt es nicht unbedingt, dass der Wille des Patienten befolgt wird. Auf der Intensivstation geht es sehr oft um Entscheidungen über Leben und Tod, etwa die Frage Wiederbelebung oder nicht. Der Arzt braucht einen vom Patienten bevollmächtigten Ansprechpartner. Daher ist die Patientenverfügung nur die Ergänzung zur Vorsorgevollmacht. Die Patientenverfügung listet lediglich konkrete Wünsche zur Therapie auf, doch die Vorsorgevollmacht verleiht die Entscheidungsgewalt, diese durchzusetzen. Wenn diese dem Angehörigen nicht vorliegt und erst ein gerichtlicher Betreuer bestimmt werden muss, kann im Notfall zu viel Zeit verstreichen.

Mein Sohn/meine Tochter wohnt in einer anderen Stadt, ist aber die einzige Person, der ich vollkommen vertraue. Also kann ich doch nur ihn/sie bevollmächtigen, oder?

Das ist eine Abwägung. Wenn die Vertrauensperson der ersten Wahl im Notfall nicht angemessen schnell vor Ort, sprich im Krankenhaus sein könnte, kann es mehr Sinn ergeben, zum Beispiel einen engen Freund, der in der Nähe wohnt, zu bevollmächtigen. Diese Vollmacht kann auf Entscheidungen zu medizinischen Themen beschränkt werden. Für die Abwicklung weitergehender Vermögens- und Versicherungsfragen wäre jedoch eine Generalvollmacht nötig.

Meine Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung übergebe ich am besten dem Bevollmächtigten, oder?

Besser ist es, dass die Vollmacht und die Patientenverfügung beim Vollmachtgeber bleiben. (Selbstverständlich sollte der Bevollmächtigte wissen, wo er die Dokumente findet, und schnellen Zugriff haben.) Bleibt der Vollmachtgeber im Besitz der Unterlagen, kann er jederzeit Änderungen – wie zum Beispiel jetzt zur speziellen Covid-19-Situation – vornehmen, ohne dass andere Exemplare im Umlauf sind, die dem geänderten womöglich widersprechen.

Dieser Artikel spricht rechtliche und medizinische Themen an. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Rechtsgültigkeit und ersetzt in keiner Weise Beratung und Handlungsvorschläge durch Juristen oder Ärzte.

In diesem Artikel wird aus Gründen der Lesbarkeit das generische Maskulinum verwendet, das Personen anderen Geschlechts selbstverständlich miteinschließt.

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