Virtuelle Museumstour – mit Rembrandt auf der Couch

Zuhause? Zeit? Lust auf erbauliche Unterhaltung? Wenn Sie jetzt dreimal Ja sagen und außerdem Internet haben, gehen Sie doch mal auf virtuelle Museumstour. Zugegeben, es fehlen die Atmosphäre, die Dreidimensionalität und der Zauber der realen Begegnung. Es fehlen aber auch das Gedränge, die Rückenschmerzen und die Plattfüße. Online in die Welt der Kunst, entweder über die Webseite des Museums oder über die Webanwendung Google Arts and Culture: Man glaubt gar nicht, was man dort umsonst und in Farbe alles entdecken kann.

Vom British mal eben ins Australian Museum, dann in die Uffizien in Florenz und zur Eremitage in Sankt Petersburg – so ein Kulturtrip würde einen vor Flugscham in den Boden versinken lassen. Aber selbst wenn online die Kunst der Welt mit ein paar Klicks erreichbar ist, sollte man keinen Parforceritt machen. Die virtuelle Museumstour ist so facettenreich, dass man am besten mit wenigen Lieblingsmuseen oder Kunstrichtungen anfängt.

Wie kommt man rein in die Tempel der menschlichen Kreativität? Viele Museen für Kunst oder Naturkunde bieten auf ihrer eigenen Homepage mehr oder weniger aufwändige Online-Rundgänge an. Über 1200 von ihnen haben sich auch mit Google Arts and Culture zusammengetan. In dieser Anwendung für Rechner, Tablet und Smartphone haben kunstverliebte Programmierer im Silikon Valley seit Jahren immer wieder eine Schippe draufgelegt.

Mit der Street-View-Technik, deren Glubschaugen unsere Städte ins Netz gebracht hat, wurden auch Museen so räumlich abfotografiert, dass der Online-Besucher mit etwas Maus- oder Trackpad-Geschick mühelos durch die heiligen Hallen wandelt. Also weiß er schon mal, in welcher meist prachtvollen Umgebung das Kunstwerk steht oder hängt.

Nun kann er sich dem Exponat aber auch derart mikroskopisch nähern, dass im echten Museum der Alarm aufs Hysterischste scheppern würde. Mit dem Zoom auf die hochauflösend fotografierten Bilder kann er allerfeinste Details erkennen. Sind die versteckten Raffinessen des Künstlers erst mal entdeckt, will der Betrachter aber auch wissen, was dahintersteckt.

Bei zahlreichen Meisterwerken gibt es vorgefertigte Miniführungen. Gehen wir zum Beispiel online ins Amsterdamer Rijks Museum, dem Hort der niederländischen Meister Rembrandt van Rijn und Johannes Vermeer. Klickt man auf Vermeers Milchmagd, findet man nicht nur Information zu Titel, Künstlerbiographie, Datierung, Entstehungsgeschichte, Material, Technik, Kunstepoche, Schule und so weiter, sondern auch eine kommentierte Wanderung übers Bild. Den winzigen Cupido an der kargen Küchenwand hätten wir glatt übersehen. Dabei könnte er uns verraten, was die züchtige Frau, die Milch in eine Schüssel gießt, gerade so denkt.

Virtuelle Museumstour

Wenn uns Vermeers intime Einblicke ins das Frauenleben des 16. Jahrhunderts besonders gefallen, können wir auch seine Werke quer durch alle Museen zusammensuchen. Aus dem globalen Kunstschatz eigene Sammlungen nach Künstler, Stilrichtung und Thema anzulegen, das erlaubt nur die schöne neue Datenwelt.

Man muss kein kunsthistorisch bewanderter, gestylter Ausstellungshopper sein um zu erfahren: Der Spaß an der Kunst wächst, je mehr man sich damit beschäftigt. Das geht auf der Couch sogar besonders bequem. Auch Leute, die seit der Schulzeit eher selten im Museum waren, können der Faszination großer Werke erliegen. Wenn sie erst einmal auf die Idee kommen.

Auch dafür hat sich Google was ausgedacht. Die Smartphone-App Arts and Culture hat auch eine Selfie-Funktion. Habe ich mich damit abgelichtet, findet die Gesichtserkennungstechnik in Sekunden das historische Porträt meines Doppelgängers, also zum Beispiel Marie Antoinette, gemalt von Richard Brookshaw, die sich irgendwo in der Nationalgalerie in Washington befindet, mir zu 65 Prozent ähnlich sieht und derzeit ohnehin nur online betrachtet werden kann.

Die Gesichtsdaten werden angeblich nicht dauerhaft gespeichert. Wer sich Sorgen um sein Konterfei im Netz macht, sollte den Selfie-Kunstvergleich wohl eher nicht anwenden, dann aber auch keine Fotos in sozialen Netzwerken veröffentlicht haben.

Auch viele Hollywoodstars und die Spieler des FC-Bayern haben mit diesem Gag schon – zumindest zeitweise – Zugang zum Weltkulturschatz gefunden.

Da dieser Schatz aber so groß ist, stellt sich die Frage wohin beziehungsweise welche virtuelle Museumstour? Dazu ein paar Vorschläge (von tausenden Möglichkeiten):

Das Geschlecht der Habsburger regierte sehr lange, verbreitet und prunkvoll. Da Herrscher Kunst erobern, anhäufen und gegenseitig verschenken, befindet sich im Kunsthistorischen Museum in Wien die einzigartige Ausbeute 500jähriger habsburgischer Sammelwut, darunter die Meisterwerke Die Jäger im Schnee und Turmbau zu Babel von Pieter Bruegel und Maria mit der Birnenschnitte von Albrecht Dürer. Wenn man die Grandezza von Wien gerade nicht live erleben kann, darf man sich zum Trost dort hinklicken oder auch zum Schloss Schönbrunn, zur Albertina, ins Burgtheater oder ins Belvedere zum Kuss von Gustav Klimt.

Ein Trip nach Mexiko ist weit, aber Frida Kahlos Kunst und Leben interessieren Sie? Besuchen Sie das Casa Azul (das blaue Haus), in dem die Künstlerin lebte und starb und die Zeugnisse des Schaffens der berühmten lateinamerikanischen Künstlerin verwahrt sind. Fridas bedeutendste Werke finden Sie dann im Dolores Olmedo Museum in Mexiko-Stadt.

Ebenfalls ein besuchenswertes kleines Haus ist das Franz Marc Museum in Kochel am See. Das private Museum ist dem Leben des bedeutenden Malers des Expressionismus gewidmet, der in jungen Jahren im ersten Weltkrieg fiel.

Noch nie in der Sixtinischen Kapelle gewesen und wenn doch, vor lauter Menschen Michelangelos Jüngstes Gericht verpasst? Auch wenn der Papst an Ostern 2020 ins Leere segnete, so können doch jederzeit Millionen die Kunstsammlung des Vatikan bestaunen und die legendäre Wendeltreppe herunterschauen.

Wer Wendeltreppen liebt, kommt selbstverständlich auch am Guggenheim Museum in New York nicht vorbei. Ein Highlight zeitgenössischer Kunst

Wer Naturkunde der bildenden Kunst vorzieht, kann sich ausgiebig im National Museum of Natural History in Washington D.C. verlustieren. Wie bei allem, was mit Dinosauriern zu tun hat, eignet sich diese virtuelle Museumstour bestens dafür, die Kinder oder Enkel mitzunehmen. Wenn das noch nicht reicht, wechseln Sie mal eben den Kontinent und machen im Australian Museum in Sydney weiter.

Es würde Sie mal interessieren, was im Weißen Haus so zu sehen gibt? Come on, folks, this way: The White House, Washington D.C.

Kaum war sie Ende Februar 2020 nach siebenjähriger Umbauzeit eröffnet, war sie coronabedingt gleich wieder zu: die Gemäldegalerie der Alten Meister im Dresdner Zwinger. Zum Glück kann man die Ausstellung, die sich nach Expertenmeinung nicht hinter den ganz Großen wie den Uffizien in Florenz oder dem Prado in Madrid verstecken muss, auch online besuchen und sich Raffaels Sixtinische Madonna und Rembrandts Entführung des Ganymed in Ruhe anschauen. Ist man schon mal in Dresden, kann man auch in die sensationelle Porzellansammlung von August dem Starken wandern und einen Abstecher zur Skulpturensammlung im Albertinum machen.

Und als Au Revoir: Wer liebt sie nicht, die Impressionisten? Degas mit seinen Ballettmädchen, Monet mit den getupften Landschaften? Ein Besuch im Pariser Musée d’Orsay mit der prachtvollen Bahnhofsuhr ist dafür ein Muss. Auch das berühmte Frühstück im Grünen von Manet und das türkisfarbene Selbstporträt von Vincent van Gogh sind dort zu finden. Ausgesprochene Monet-Fans gehen zusätzlich noch schnell in das Musée de l’Orangerie.

Virtuelle Museumstour

Soweit die völlig subjektive Auswahl, wo sich eine virtuelle Museumstour lohnen könnte. Außer einem überraschend angenehmen Zeitvertreib könnte Folgendes passieren:

  • Sie driften ab in Ihre eigenen Lieblingsmuseen und entdecken dabei ganz neue.
  • Sie vertiefen vorhandenes Kunstwissen und lernen viel dazu.
  • Sie vergessen mal Stress und Sorgen.
  • Sie haben richtig Lust, die Exponate sobald wie möglich in Echt und vor Ort anzusehen.

Bei allem viel Vergnügen!

Wem das alles viel zu passiv ist, kann in der digitalen Kunstwelt ordentlich mitmischen. Man suche sich ein Kunstwerk, stelle es mit sich selbst, der Familie, Freunden, seinem Haustier und Haushaltsgegenständen nach, fotografiere das Ganze und entzücke damit das Internet – mit entsprechendem Beifall natürlich. Die entsprechenden Foren bieten die Challenge des Getty Museums via Instagram, Twitter oder Facebook oder der Instagram-Account #tussenkunstenquarantaine (zwischen Kunst und Quarantäne).

Kaum zu glauben, welche Kreativität die Corona-Isolation entfesselt: Ein Mops eignet sich als Mädchen mit dem Perlenohrring oder Jesuskind, Edvard Munchs Der Schrei geht auch als Paprika oder Kartoffel.

Auch lustig: die nachgestellte Kunst von vier WG-Mitgliedern auf #covidclassics.

English Version

Virtual museum tour – with Rembrandt on the couch

At home? Time? Fancy some edifying entertainment? If you say yes three times now and also have Internet access, why not go on a virtual museum tour? Admittedly, the atmosphere, the three-dimensionality and the magic of real encounters are missing. But the crowds, back pain and flat feet are also missing. Online into the world of art, either via the museum’s website or via the web application Google Arts and Culture: you wouldn’t believe what you can discover there for free and in colour.

From the British to the Australian Museum, then to the Uffizi Gallery in Florence and the Hermitage in St. Petersburg – such a cultural trip would make you sink into the ground with „flight shame“. But even if the art of the world is only a few clicks away online, you shouldn’t go on a par force ride. The virtual museum tour is so multifaceted that it is best to start with just a few favourite museums or art movements.

How do you get into the temples of human creativity? Many museums for art or natural history offer more or less elaborate online tours on their own homepage. Over 1200 of them have also joined forces with Google Arts and Culture. In this application for computers, tablets and smartphones, art-loving programmers in Silicon Valley have been excelling themselves time and again for years.

With the Street View technology, whose bug-eyes have brought our cities to the web, museums have also been photographed three-dimensionally that with a little mouse or trackpad skill, online visitors can effortlessly wander through the holy halls. So the visitor already knows in which usually splendid surroundings the work of art stands or hangs.

But now he can approach the exhibit microscopically in such a way that in a real museum the alarm would rattle hysterically. By zooming in on the high-resolution images, he can see the finest details. Once the hidden subtleties of the artist have been discovered, the viewer also wants to know what lies behind them.

There are ready-made mini tours for numerous masterpieces. For example, let’s go online to the Amsterdam Rijks Museum, the refuge of the Dutch masters Rembrandt van Rijn and Johannes Vermeer. If you click on Vermeer’s Milkmaid, you will not only find information on the title, artist’s biography, dating, history, material, technique, art period, school and so on, but also a commented walk through the picture. We could have easily overlooked the tiny Cupid on the barren kitchen wall. But he could tell us what the chaste woman who pours milk into a bowl is thinking.

If we particularly like Vermeer’s intimate insights into 16th-century women’s life, we can also collect his works across all museums. Only the brave new world of data allows us to create our own collections from the global art treasure according to artist, style and theme.

You don’t have to be an art historically versed, styled exhibition hopper to know The more you get involved, the more you enjoy art. That’s even particularly comfortable on the couch. Even people who have rarely been to a museum since their school days can succumb to the fascination of important works. Once they get the idea.

Google has come up with something for that as well. The smartphone app Arts and Culture also has a selfie function. Once I’ve scanned myself with it, the face recognition technology finds the historical portrait of my doppelganger in seconds, for example Marie Antoinette, painted by Richard Brookshaw, who is somewhere in the National Gallery in Washington, looks 65 percent like me and can currently only be viewed online anyway.

The facial data is allegedly not stored permanently. If you’re worried about your portrait on the net, you probably shouldn’t use the selfie art comparison, but then you shouldn’t have published photos in social networks either.

Also many Hollywood stars and the players of the FC-Bavaria have already – at least temporarily – found access to the world cultural treasure with this gimmick.

But since this treasure is so large, the question arises as to where or which virtual museum tour? Here are a few suggestions (from thousands of possibilities):

The Habsburg dynasty ruled for a very long time, widely spread and splendidly. As rulers conquered, accumulated and gave art as gifts to each other, the Kunsthistorisches Museum in Vienna houses a unique collection of 500 years of Habsburg collecting frenzy, including the masterpieces Hunters in the snow and Tower of Babel by Pieter Bruegel and Virgin and child with a pear by Albrecht Dürer. If you can’t experience the grandeur of Vienna live at the moment, you can click there for comfort or even go to Schönbrunn Palace, the Albertina, the Burgtheater or the Belvedere for a kiss from Gustav Klimt.

A trip to Mexico is far, but Frida Kahlo’s art and life interest you? Visit the Casa Azul (the blue house) where the artist lived and died and where the testimonies of the work of the famous Latin American artist are kept. Frida’s most important works can then be found in the Dolores Olmedo Museum in Mexico City.

Another small house worth visiting is the Franz Marc Museum in Kochel am See. This private museum is dedicated to the life of the important painter of Expressionism, who died at a young age during the First World War.

Never been to the Sistine Chapel and if you have, you missed Michelangelo’s Last Judgement because of the crowd? Even if the Pope blessed into the void at Easter 2020, millions can still marvel at the Vatican’s art collection and look down the legendary spiral staircase at any time.

If you love spiral staircases, of course you can’t get past the Guggenheim Museum in New York. A highlight of contemporary art.

Those who prefer natural history to fine art can spend a lot of time at the National Museum of Natural History in Washington D.C. As with everything to do with dinosaurs, this virtual museum tour is perfect for taking the children or grandchildren with you. If that’s not enough, switch continents and continue at the Australian Museum in Sydney.

Would you like to see what’s on display at the White House? Come on, folks, this way: The White House, Washington D.C.

No sooner had it opened at the end of February 2020 after seven years of renovation than it was immediately closed again for corona reasons: the Old Masters Picture Gallery in the Dresden Zwinger. Fortunately, the exhibition, which according to experts doesn’t have to hide behind the greats such as the Uffizi Gallery in Florence or the Prado in Madrid, can also be visited online to view Raphael’s Sistine Madonna and Rembrandt’s Abduction of Ganymede at your leisure. If you are already in Dresden, you can also wander into the sensational porcelain collection of August the Strong and make a detour to the sculpture collection in the Albertinum.

And as Au Revoir: Who does not love them, the impressionists? Degas with his ballet girls, Monet with the dotted landscapes? A visit to the Paris Musée d’Orsay with its magnificent station clock is a must. The famous Breakfast in the Greenery by Manet and the turquoise self-portrait by Vincent van Gogh are also to be found there. For Monet fans, the Musée de l’Orangerie should also be visited.

So much for the completely subjective choice of where a virtual museum tour could be worthwhile. Apart from a surprisingly pleasant amusement, the following could happen:

  • You drift off to your own favourite museums and discover completely new ones.
  • You deepen your existing knowledge of art and learn a lot more.
  • You will forget stress and worries.
  • You really want to see the exhibits in real life and on site as soon as possible.

Have fun with all this!

If all this is far too passive for you, you can really get involved in the digital art world. You look for a work of art, recreate it with yourself, your family, friends, your pet and household items, photograph the whole thing and delight the Internet with it – with appropriate applause, of course. The corresponding forums offer the Getty Museum’s challenge via Instagram, Twitter or Facebook or the Instagram account #tussenkunstenquarantaine. It’s hard to believe the creativity unleashed by Corona insulation: a pug is suitable as a girl with a pearl earring or baby Jesus, Edvard Munch’s The Scream also works as a pepper or potato.

3 Kommentare

Dein Artikel hat mein Interesse an virtuellen Museumstouren geweckt – herzlichen Dank! Heute (15.4.2020) bin ich auf einen Artikel von Andreas Kilb in der FAZ (S. 9, Mein heimliches Auge) gestoßen, der besonders auch den Rundgang im Berliner Bodemuseum empfiehlt.

Liebe Autorin, ich lebe in Frankfurt und habe heute einen virtuellen Ausflug in die nahe Umgebung gemacht: die Opelvillen in Rüsselsheim haben einen ansprechenden 360Grad-Rundgang durchs Haus. Das bestärkt meine Vorfreude auf die Tage, an denen man mit dem Fahrrad wieder am Main entlang dorthin fahren und einen echten Besuch machen kann. Vielleicht für einige Ihrer Leser auch eine neue Entdeckung! Liebe Grüße, Silvia

Liebe Silvia, vielen Dank für die tolle Anregung! Die Museen ganz in der Nähe sollten bei den digitalen Besuchen keinesfalls zu kurz kommen und – ja! – wir freuen uns umso mehr auf das echte Erlebnis.

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