Nach mehreren Aufenthalten in der Schweiz und der Erkenntnis, dass sie das Schweizerdeutsch niemals verstehen wird, entzückt es die Reisende, dass die geneigten Eingeborenen manchmal Hochdeutsch sprechen. Und so bemerkt sie rasch, dass die Schweiz wie kaum ein anderes Land etwas versteht: die hohe Kunst der konsequenten Verkleinerung. Von Grüezi über Müesli bis Blümli.
Experten versichern, dass dieser Hang zum Diminutiv nicht etwa damit zusammen hängt, dass die Schweiz nun mal verhältnismäßig klein ist. Es auch nicht anzunehmen,, dass ein gewisser Herr Zwingli (etwa in Anbetracht der interessanten Verniedlichung des Wortes zwingen) seinen reformatorischen Eifer auch auf die Sprachendungen ausgeweitet hat. Vielmehr sei das Verkleinern ein Ergebnis der germanisch-romanischen Sprachvermischung sowie der häufigen Anwendung informeller Sprache in den Dialekten.
Nach längerem Hinhören und intensiver Zeitungslektüre dämmerte es der Reisenden allerdings, dass in der liebevollen Verkleinerungspraxis auch das interessante Potenzial steckt, sich und anderen die Dinge schöner zu reden.
So schmeckt der Kaffi gar nicht mehr so bitter, wie der Kaffee es täte, und hat das dazu genossene Gipfeli nicht annähernd so viele Kalorien, wie wenn es Croissant hieße.
Und manches in der Schweiz klingt nicht nur süß, sondern ist es auch. Allerdings muss man beim Schokoladenparadies Sprüngli nach dem Einkauf feststellen, dass man mit dem Tagesbudget nun keine großen Sprüngli mehr machen kann.
Obwohl das kleine Geschäft von Kindern auch im Deutschen je nach Landstrich recht niedlich klingt (pullern, pieschern etc.), so gewinnt doch die Version der kleinen Schweizer: Sie müssen mal ein Brünneli machen.
Bei Durli lieber nicht ins Badi
Wenn wir schon von Ausscheidungen sprechen, so krampft der Bauch beim Durli nicht gar so schlimm, wie er es beim Durchfall täte .
Wer könnte den Schweizern schon übel nehmen, dass sie flegelhafte Franzosen im Grenzgebiet des Juras mit einem Verbot belegen, künftig ihr friedliches Badi zu betreten?
Und wenn der Spießbürger Bünzli heißt, kommt er einem eigentlich ganz sympathisch vor.
Was unser Thema Aging anbelangt, so stand in der Zeitung, dass auch die Schweizer Konflikte zwischen Boomern und jüngeren Generationen erleben. Doch die Debatte verliert sofort ein Schärfe, wenn die jungen Eidgenossen die älteren Einwohner als Grossis ansprechen.
Also ich würde am liebsten gleich wieder in die Schweiz zurückfahren. Zum Glück kann man die euphemistische Verkleinerung zunehmend bei uns haben. Trinkt man sein Bier beim Späti nicht viel manierlicher als in einer Trinkhalle? Oder man lebt zum Beispiel in Frankfurt einen erfrischenden Pragmatismus: Statt in den Grüneburgpark gehen wir in den Grüni, statt in den Öderweg in den Ödi. Das ist doch supi. Dann mal Tschüsi.
2 Kommentare
… und ich überlasse Dir die Recherche, wie der Fachbegriff für Tätigkeiten wie „Grillieren“ und „Parkieren“ ist …
Es gibt sprachlich den Helvetismus (grillieren, parkieren) im Gegensatz zum Teutonismus (grillen, parken). Heißt wirklich so. Und wenn eine Helvetierin teutonisch spricht, kommt das wohl nicht so gut an.