
Lasst Blumen sprechen: Aber was?
Blumen sind Kommunikation. Seit Alters her stehen sie für Verehrung, Status, Freude, Trauer und zwar weltweit: Menschen zelebrieren die Vergänglichkeit des Schönen bei der Kirschblüte in Japan, göttliche Weisheit unter Buddhas Blumenketten, ein warmes Willkommen mit dem Blumenkranz auf Hawaii, und die kalifornischen Hippies betonten ihre Friedfertigkeit mit leicht bekifften Flowers in ihrem Hair.
Wir haben unseren Valentinstag als Anlass floraler Liebes- und Freundschaftserklärungen. Aber was genau wird durch die Blume gesagt?
Die Sprache der Blumen erreichte uns mit der Aufklärung. Anfang des achtzehnten Jahrhunderts bemerkte die schriftstellernde Botschaftergattin Lady Mary Wortley Montagu, eine Expatriate in Konstantinopel, dem heutigen Istanbul, dass die dortige Bevölkerung nicht sagt oder sagen darf, was sie empfindet. Unerlaubte Gefühlsbekundungen wurden kodiert geäußert, und zwar mittels Blumen, genauer: Blumenarten und -farben. In ihren Turkish Embassy Letters verriet die Lady der begeisterten britischen High Society, welche Blumenart in welcher Farbe was ausdrückt.
Endgültig salonfähig wurde die Blumensprache durch die französische Adelige Madame Charlotte de Latour und ihr 1819 publiziertes Buch Le language des fleurs, welches der wohlgeborenen Jeunesse dorée das Studium der subtilen botanischen Botschaften anempfahl.
Die Blume als natürliche Kulturbotschafterin ist zudem Gegenstand von Dichtung, Philosophie und Kulturwissenschaften. Wir halten uns hier ans Triviale. Normalsterbliche informieren sich heutzutage im Netz, gerne auch bei den großen Blumenversandfirmen. Allerdings kann man in den Ratgebern völlig den Überblick verlieren, da sich Bedeutungen ändern, überhäufen oder gar widersprechen. Was will mir der Überbringer von gelben Narzissen vermitteln? Dass ich einen frischen Neuanfang brauche (Bedeutung Frühling) oder dass er mich für egoistisch hält (Bedeutung Narziss-Mythos)?
Das kann kompliziert werden, daher nur ein einfacher Versuch, den Spirit des Valentinstags durch die Blume zu erklären:
Jetzt mal ehrlich (Lilie): Wir sollten immer daran denken (Vergissmeinnicht), dass wir dem Brauch des Valentinstags treu (Iris) bleiben und keinen friedlichen Aufstand (rote Nelke) von wegen Kitsch und Kommerz machen sollten. Denn sonst könnten liebe Menschen neidisch werden (gelbe Rose), wenn sich nur andere durch die Blume ihre Freundschaft (Gerbera), Zuneigung (Tulpe), zarte warme Gefühle (rosa Rose) oder die große Liebe (rote Rose) mitteilen. Letztere war, ist und wird immer unmissverständlich sein. Ohne rote Rosen bleibt das Glühen des Verehrers blass.
Da wir inzwischen meist frei sprechen können und für diverse Gefühlsäußerungen auch unsere Emojis haben, können wir uns locker machen. Dennoch gibt es die Nummer Sicher. Trick Siebzehn der Blumensprache – ebenfalls ganz im Sinne des florierenden Blumenhandels – ist der gemischte Strauß.

Darf man Männern Blumen schenken?
Ich erlebte als Kind im Blumenladen eine Szene, die ich nie vergessen werde. Die Floristin band gerade einen Strauß aus bunten Blumen, gemischt mit auf Draht gespießten Zigaretten, um voll kreativem Stolz zu verkünden: „Der wurde bestellt für einen Herrn!“. Die Ahs und Ohs der anwesenden Kundinnen hörten gar nicht mehr auf. Das waren die Sechziger und keinem wäre es in den Sinn gekommen, dass der geschmacklose Zigarettenstrauß den Empfänger seinem nächsten Blumengeschenk ein gutes Stück näher bringt: dem auf seiner Beerdigung.
Es war eben lange nicht üblich, Männern Blumen zu schenken. Wofür gab es denn Schnaps und Herrenschokolade? Die Blumen für die Dame, bitte.
Geschlechterstereotype sind haltbar, traditionell gut zu beobachten am Ende des Konzerts, wenn der blumengeehrte Dirigent das unpraktische Bouquet wie eine heiße Kartoffel an die nächste Violinistin durchreicht. Wobei man es natürlich auch als nette Geste in einem ungleichen Machtverhältnis sehen kann.
Apropos Macht: Ein Mann bekommt durchaus Blumen, wenn er ein frisch gewählter Ministerpräsident ist. Man kann ihm mit einem Strauß gratulieren oder zum Beispiel in Thüringen vor die Füße schmeißen – ein Musterbeispiel dafür, dass beim floralen Präsent nicht nur die Art und Farbe der Blüten, sondern auch die Form der Überreichung erheblichen symbolischen Wert hat.
Und im normalen Leben? Frauen! Ist der Kerl stark genug für einen Strauß? Freut er sich gar? Probiert es einfach mal aus!
What else does the flower have to say?
Nehmen wir beispielsweise eine Rose, die mit großem Abstand meistimportierte Blume. Ihre Botschaft „Du wirst gemocht“ oder „Du wirst geliebt“ hat einen Subtext: „Ich bin ein pestizidbelastetes, in Massenhaltung hochgezüchtetes Geschöpf, das mittels prekärer Lohnarbeit und riesigem Wasserverbrauch in Schönheit erblühte und vor dem Ende seines kurzen Lebens noch die 6000-Kilometer-Flugreise aus Kenia angetreten hat.“ Oder sie ist Holländerin und hat eine andere Geschichte: „Wie viel Energie das Haus, in dem ich aufgewachsen bin, verbraucht, willst du gar nicht wissen.“
Aber der Valentinstag ist nun mal im Februar, und da könnte man als regionale Bio-Alternative nur das Schneeglöckchen überreichen. Blumen mit Fairtrade-Siegel, unter anderem empfohlen von den Verbraucherzentralen, sind eine gute Alternative. Auch eine Botschaft.
English version
Valentine’s Day – a thorn among roses
Peace, joy, Valentine’s Day – people like plants, especially those with conspicuous reproductive organs. Because the more magnificent the flower, the more attractive it is to pollinators. But giving flowers just like that?
Flowers are communication. Since time immemorial, they have stood for reverence, status, joy and mourning all over the world: people celebrate the transience of beauty with the cherry blossom in Japan, divine wisdom under Buddha’s flower necklaces, a warm welcome with the flower wreath in Hawaii, and the Californian hippies emphasized their peacefulness with slightly stoned flowers in their hair.
We have our Valentine’s Day as an occasion for floral declarations of love and friendship. But what exactly is being said through the flower?
The language of flowers reached us with the Enlightenment. At the beginning of the eighteenth century, the ambassador’s wife Lady Mary Wortley Montagu, a writer and expatriate in Constantinople, now Istanbul, noticed that the people there were not allowed to say what they felt. Unauthorized expressions of feelings were expressed in code, namely by means of flowers, or more precisely: types and colors of flowers. In her Turkish Embassy Letters, the lady revealed to the enthusiastic British high society which type of flower in which color expresses what.
The language of flowers finally became socially acceptable thanks to the French noblewoman Madame Charlotte de Latour and her book Le language des fleurs, published in 1819, which recommended that the well-born jeunesse dorée study the subtle botanical messages.
Die Blume als natürliche Kulturbotschafterin ist zudem Gegenstand von Dichtung, Philosophie und Kulturwissenschaften. Wir halten uns hier ans Triviale. Normalsterbliche informieren sich heutzutage im Netz, gerne auch bei den großen Blumenversandfirmen. Allerdings kann man in den Ratgebern völlig den Überblick verlieren, da sich Bedeutungen ändern, überhäufen oder gar widersprechen. Was will mir der Überbringer von gelben Narzissen vermitteln? Dass ich einen frischen Neuanfang brauche (Bedeutung Frühling) oder dass er mich für egoistisch hält (Bedeutung Narziss-Mythos)?
This can get complicated, so here’s just a simple attempt to explain the spirit of Valentine’s Day through flowers:
Let’s be honest (lily): We should always remember (forget-me-not) that we should stay true (iris) to the custom of Valentine’s Day and not make a peaceful rebellion (red carnation) about kitsch and commercialism. Otherwise, loved ones could become envious (yellow rose) if only others communicate their friendship (gerbera), affection (tulip), tender warm feelings (pink rose) or great love (red rose) through flowers. The latter was, is and always will be unmistakable. Without red roses, the glow of passion remains pale.
Since we can now mostly speak freely and have our emojis for various expressions of emotion, we can relax. Nevertheless, there is a safe bet. The trick of flower language – also in keeping with the flourishing flower trade – is the mixed bouquet.
Is it okay to give men flowers?
As a child, I experienced a scene in a flower store that I will never forget. The florist was tying a bouquet of colorful flowers, mixed with cigarettes stuck on wire, to announce with creative pride: “This was ordered for a gentleman!”. The oohs and aahs from the customers present never stopped. Those were the sixties and it would never have occurred to anyone that the tasteless bouquet of cigarettes would bring the recipient a good deal closer to his next floral gift: the one at his funeral.
It wasn’t customary to give men flowers for a long time. What were schnapps and men’s chocolate for? Flowers for the lady, please.
Gender stereotypes are enduring, traditionally well observed at the end of the concert, when the flower-honored conductor passes the impractical bouquet to the next violinist like a hot potato. Although, of course, it can also be seen as a nice gesture in an unequal balance of power.
Speaking of power: a man definitely gets flowers when he is a newly elected prime minister. You can congratulate him with a bouquet or, in Thuringia for example, throw them at his feet (after he had himself elected president with the help of a right-wing extremist party) – a prime example of the fact that not only the type and color of the flowers, but also the form in which they are presented has considerable symbolic value.
Und im normalen Leben? Frauen! Ist der Kerl stark genug für einen Strauß? Freut er sich gar? Probiert es einfach mal aus!
What else does the flower have to say?
Take a rose, for example, which is by far the most imported flower. Its message “You are liked” or “You are loved” has a subtext: “I am a pesticide-laden, mass-produced creature that blossomed into beauty through precarious wage labor and huge water consumption, and before the end of its short life, it took a 6000-kilometer flight from Kenya.” Or she is Dutch and has a different story: “You don’t even want to know how much energy the house I grew up in consumes.”
But Valentine’s Day is in February, so the only regional organic alternative would be snowdrops. Flowers with the Fairtrade seal, recommended by consumer advice centers and others, are a good alternative. Also a message.
2 Kommentare
Danke für den vielseitigen Artikel! Die Anregung mit saisonalen Schneeglöckchen werde ich aufgreifen! Für Landkinder: Wer vorausschauend (und vortrefflich) ist, kann auf die diversen Tricks der einer beliebten Country-Zeitschrift zurückgreifen und Forsythien, Hartriegel etc. im Januar schneiden und im Februar aus den erblühten Ästen Sträusse machen. Aber das vernachlässigt natürlich, dass der Valentinstag ein Produkt der Floristik-Industrie ist und dass Gartenblumen als Valentine ungültig sind….
Ein toller Trick! Man sollte die Hoffnung nicht aufgeben auf eine Zeit, in der Forsythien und Hartriegel die Herzen höher schlagen lassen <3