Netiquette – wie man sich im Internet nicht daneben benimmt

Netiquette ist ein Kunstwort aus dem englischen Net und dem französischen Etiquette. Net ist das Netz der digitalen Verknüpfung. Etiquette, deutsch Etikette, ist die „Gesamtheit von herkömmlichen Regeln, die gesellschaftliche Umgangsformen vorschreiben“ (Duden).

Die Netiquette beschreibt also, wie man sich in der Online-Kommunikation benehmen sollte. Für alle Internetnutzer gibt es Regeln und Tipps, wie man vermeidet, jemandem auf den digitalen Schlips zu treten und sich treten zu lassen.

Wie im sozialen Miteinander kann auch im Internet nicht jeder, wie er will. In einem Tohuwabohu von Kommunikation funktionieren weder die digitale noch die analoge Welt.

Allerdings scheint der elektronische Austausch von Informationen und Meinungen zu Grenzüberschreitungen zu verleiten: von Ausrutschern bis zur Gehässigkeit. Erstere passieren oft aus Unwissenheit, Letztere eher aufgrund der Anonymität im virtuellen Raum oder anders gesagt, weil man sich weder kennt noch direkt gegenübersteht. Und schon herrscht der Verfall der Sitten.

Netiquette für Newbies

Bereits 1995 hat die Intel Corporation den „Newbies“, den Neulingen im Reich der digitalen Medien, eine Liste von Verhaltensmaßnahmen ans Herz gelegt. Titel des Dokuments: Netiquette. Dabei unterschieden die Autoren zwischen den Kommunikationssituationen one-to-one (einer mit einem) und one-to-many (einer mit vielen).

Einer mit einem tauscht sich aus via:

  • E-Mail
  • privater Nachricht
  • privatem Chat

Einer mit vielen teilt sich öffentlich mit:

  • durch Mailinglisten
  • auf Foren von Websites
  • durch Micro-Blogging wie Twitter
  • auf den öffentlichen Pinnwänden und Kommentarfeldern der sozialen Medien
Warum braucht man Netiquette?

Schon bei one-to-one gibt es viele Möglichkeiten, einander zu nahe zu treten. Zum Beispiel:

  • Private Botschaften werden ohne Wissen des Senders weitergeleitet, was irgendwann rauskommt.
  • Mails werden mit überflüssigem Text und Anhängen zugemüllt.
  • Oder – hoppla – die brisante Mail / SMS wurde mit einem nachlässigen Klick an den falschen Empfänger geschickt.
Vom Fremdschämen bis zur Hassrede

Schier unerschöpflich scheint der Fundus an Übertretungen, die sich einer gegenüber den vielen erlauben kann.

Noch harmlos muten dabei Aktionen an, die andere Nutzer zum Fremdschämen bringen, zum Beispiel:

  • User mit Hang zur Selbstdarstellung posten peinliche Nonsense-Bilder von sich.
  • Paare tragen ihre Zwiste über die Facebook-Pinnwand aus.

Auch hier gilt: Was draußen ist, bleibt auch draußen. Selbst wenn ein Faux-Pas blitzschnell wieder gelöscht wird, kann er sich bereits unwiederbringlich in unzähligen Mails befinden, in denen die Plattform auf den neuen Post hinweist.

Doch es geht auch gefährlicher. Die nächste Stufe ist das Zündeln. Dafür wurde schon in den frühen Internetjahren der Begriff Flaming geprägt. Es steht für das Posten von Beleidigungen und Provokationen. Manche fordern damit das Gegen-Flaming von anderen heraus, und schon bald brennt die ganze Hütte. Dieses Provozieren heißt auch Flame-Baiting, also Ködern von Zoff, und wird oft von Menschen gemacht, die gar nicht wirklich meinen, was sie da von sich geben.

Netiquette

Flaming ist eng verwandt mit Trolling. Trolle im Internet sind keine lustigen Monster, sondern Leute, die in beliebige Chat-Gruppen eindringen mit dem Ziel, diese mit übergriffigen Kommentaren aufzumischen.

Das ultimative Gegenteil von Netiquette verkörpert der Hater. Hater posten hate speech, also Hassrede, aus Pöbeleien, Rohheiten, Schmähkritik, Verleumdungen und Hetze. Das kann drastische Folgen haben, wenn ihre Adressaten zum Opfer von Cyber-Mobbing werden.

Wer auffällt, fliegt raus

Gegen Regelüberschreitungen in der digitalen Kommunikation kann man kaum rechtlich vorgehen außer bei strafrechtlich relevanten Äußerungen und bei Verletzungen des Urheberrechts oder Missachtung der Nutzungsrechte auf Fotos und Videos. In diesem rechtsfreien Raum ist es oft die Aufgabe von Moderatoren und Betreibern von Seiten, Foren und Chats, diejenigen Nutzer, die gegen die Netiquette verstoßen, zu verwarnen oder auszuschließen. Facebook beispielsweise prüft eingestellte Inhalte auf Basis seiner „Gemeinschaftsstandards“ und sperrt gegebenenfalls das Konto.

Das Hausrecht der Plattform- und Seitenbetreiber steht in diesem Fall über dem Recht auf persönliche Meinungsfreiheit.

Medien, Institutionen und andere Anbieter von Chat- und Kommentarfunktionen haben dementsprechend meist ihre eigene Version der erwünschten Netiquette ins Netz gestellt. Die Regeln für das Verhalten in Chatgruppen heißen manchmal auch Chatiquette. Aus dem Intel-Urtext und dessen unzähligen Nachfolgern lassen sich einige wichtige Regeln hervorheben:

Auf die richtige Anrede achten

Beginnen wir mit der Anrede: In der Online-Kommunikation herrscht in den meisten Chat-Gruppen das „Du“ vor. Man sollte sich nicht ärgern, wenn man geduzt wird. Man sollte allerdings selbst darauf achten, wann das Duzen oder Siezen in einer Botschaft an eine bestimmte Person angemessen ist.

Vorsicht vor Gleichmacherei

Gerade auf Plattformen, auf denen alle Teilnehmer „befreundet“ sind, sollte man sorgfältig zwischen vertrauten und fremden Adressaten unterscheiden und die Tonalität der Kommunikation der jeweiligen Zielgruppe anpassen.

Emotionen und Nuancen kommunizieren

Da der Adressat den Absender weder sieht noch hört, sind Nuancen durch Gestik, Mimik oder Stimmlage nicht möglich. Emoticons wie zum Beispiel das Zwinker-Smiley helfen dabei, ironisch, humorvoll oder relativierend gemeinte Aussagen auch genau so rüberzubringen.

Sauber und richtig schreiben

Auf Rechtschreibung, Grammatik und Zeichensetzung ist zu achten. Man sollte sich die Zeit nehmen, den Text vor dem Senden nochmals durchzulesen. Selbst wenn Schlamperei den anderen angeblich nicht stört, verdient er doch hinreichende Sorgfalt.

Auf korrekte Groß- und Kleinschreibung sollte man nicht verzichten, denn sie erleichtert das Lesen.

BITTE NICHT SCHREIEN!!!

Durchgehendes Schreiben in Großbuchstaben (Versalien) ist zu vermeiden, denn dies gilt in der Online-Kommunikation als Anschreien. Mehr als ein Rufzeichen gilt in den meisten Kontexten ebenfalls als unhöflich.

Auf den Punkt kommen

Man sollte sich außerdem genügend Zeit nehmen, seine Inhalte kurz zu fassen. Denn frei nach Charlotte von Steins Satz an Goethe „Entschuldige den langen Brief, für einen kurzen hatte ich keine Zeit“ ist der straffe Text meist aufwendiger, als einfach drauflos zu labern.

Nicht abschweifen oder ablenken

In einem Thread, einem Diskussionsfaden, sollte man beim Thema bleiben und nicht willkürlich neue Themen einführen.

Sachlich bleiben

Sachliche Argumente sind erwünscht, persönliche Angriffe sind unerwünscht.

Provokationen versanden lassen

Wird es deutlich, dass ein Troll oder Hater einen Post kommentiert oder sich in einen Chat eingeschlichen hat? Dann sollte man ruhig bleiben und möglichst nicht darauf reagieren. Oder man kommuniziert allenfalls mit anderen über den Troll, niemals mit ihm.

An die eigene Nase fassen

Selbstverständlich schickt man keine diskriminierenden, herabwürdigenden oder beleidigenden Sprüche ins öffentliche Netz. Falls man dennoch feststellt, dass man unter Pseudonym etwas abschicken möchte, was man unter dem realen Namen nicht senden würde, sollte man nochmals drüber nachdenken.

Wird man selbst in diffamierender Weise angegriffen, sollte man dennoch einer sachlichen Diskussionskultur treu bleiben.

Erst suchen, dann fragen

Bei großen Foren gilt es als wünschenswert, wenn man seine Frage zunächst in die Suchfunktion eingibt. So findet man mögliche bereits bestehende Threads zum Thema.

Gut gemeinte, aber nichtssagende Beiträge wie „Ich kann dir da leider auch nicht helfen, aber viel Glück noch bei der Suche“ sollte man sich sparen.

Pro Message ein Thema

Bei der Kommunikation via E-Mail sollte sich der Betreff präzise auf das Thema des Schreibens beziehen. Geht es um ein völlig neues Thema, sollte dies in einer weiteren Mail mit neuem Betreff kommuniziert werden. So können Kommunikationsverläufe themenspezifisch erstellt und archiviert werden.

Vertraulich!

Auf die Privatsphäre von Mitmenschen ist unbedingt zu achten. Man veröffentliche nie Fotos, Videos, persönliche Daten oder andere Informationen über andere, es sei denn, man besitzt deren ausdrückliche Zustimmung.

Urheberrecht und Nutzungsrechte beachten

Wer Inhalte kopiert und teilt, verstößt möglicherweise gegen das Urheberrecht oder missachtet Nutzungsrechte. Daher sollte man beim Hochladen oder Weiterleiten fremder Inhalte besonders vorsichtig sein. Zitate sollten kenntlich gemacht und mit einer Quellenangabe versehen werden.

Spam ignorieren

Verdächtige Posts, die Spam oder Kettenbriefe beinhalten könnten, sollte man gründlich prüfen. Man teile diese keinesfalls.

Achtung: Spoiler!

Falls man über Bücher, TV-Serien oder Filme diskutiert und dabei beabsichtigt, wichtige Handlungsstränge oder gar das Ende zu verraten, gilt es als fair, das Wort Spoiler, wörtlich übersetzt: Verderber, als Warnung voranzustellen.

„Edel sei der Mensch, hilfreich und gut“ (Goethe)

Zu guter Letzt der übergreifende Appell: Bei all den revolutionären technologischen Möglichkeiten des Austausches vergesse man nie, dass sich auf der anderen Seite des Kommunikationskanals immer noch ein Mensch befindet. Dieser Mensch verdient Respekt und Achtung seiner Würde.

English Version

Netiquette – how not to misbehave on the Internet

Netiquette is an artificial word from the English Net and the French Etiquette. Net is the net of digital linking. Etiquette, German Etikette, is the „totality of conventional rules that prescribe social manners“ (Duden).

Netiquette therefore describes how one should behave in online communication. For all Internet users there are rules and tips on how to avoid treading on someone’s digital toe and letting them tread on your’s.

As in social interaction, not everyone can do as they like on the Internet. In a hullabaloo of communication, neither the digital nor the analogue world works.

However, the electronic exchange of information and opinions seems to tempt people to cross borders: from slip-ups to spitefulness. The former often happen out of ignorance, the latter more because of anonymity in virtual space or, to put it another way, because people neither know each other nor are directly opposite. And soon the decay of morals reigns.

Netiquette for Newbies

As early as 1995, Intel Corporation recommended a list of behavioural measures to the „newbies“, the newcomers to the realm of digital media. Title of the document: Netiquette. The authors distinguished between the communication situations one-to-one and one-to-many.

Einer mit einem tauscht sich aus via:

  • E-mail
  • private message
  • private chat

One with many communicates publicly:

  • through mailing lists,
  • on forums of websites
  • through micro-blogging like Twitter
  • on the public bulletin boards and comment fields of social media
Why do we need netiquette?

Even at one-to-one there are many ways to offend someone. For example:

  • Private messages are forwarded without the knowledge of the sender, which eventually is revealed.
  • Mails are littered with superfluous text and attachments.
  • Or – whoops – the sensitive mail / SMS was sent to the wrong recipient with a careless click.
From vicarious embarrassment to hate speech

Almost limitless seems to be the fund of transgressions that one person can commit against the many.

Still harmless seem to be actions that make other users feel ashamed, for example:

  • Users with a penchant for self-expression post embarrassing pictures of themselves.
  • Couples share their differences via the Facebook pinboard.

Here, too, the rule is: what is out there stays out there. Even if a faux-pas is deleted in a blink, it can already be irretrievably found in countless mails in which the platform points out the new post.

But there are more dangerous ways. The term flaming was coined in the early Internet years. It stands for posting insults and provocations. Some use it to challenge the counter-flaming of others, and soon the whole hut is on fire. This provocation is also called flame-baiting and is often done by people who don’t really mean what they say.

Flaming is closely related to Trolling. Trolls on the Internet are not funny monsters, but people who invade random chat groups with the aim of disturbing them with abusive comments.

The Hater embodies the ultimate opposite of netiquette. Hater post hate speech, made up of vulgarity, brutality, abusive criticism, slander and agitation. This can have drastic consequences if their addressees become victims of cyberbullying.

It is hardly possible to take legal action against transgressions of rules in digital communication except for statements relevant to criminal law and in cases of copyright violations or disregard of the rights of use on photos and videos. In this legal vacuum it is often the task of moderators and operators of sites, forums and chats to warn or exclude those users who violate netiquette. Facebook, for example, checks posted content based on its „community standards“ and blocks the account if necessary.

In this case, the domestic authority of the platform and site operators takes precedence over the right to personal freedom of opinion.

Accordingly, media, institutions and other providers of chat and commentary functions have usually posted their own version of the desired netiquette on the Internet. The rules for behaviour in chat groups are sometimes called Chatiquette. From the Intel original text and its countless successors, some important rules can be pointed out:

Pay attention to the correct form of address

Let’s start with the form of address: In online communication, being on a first-name basis predominates in most chat groups. One should not be annoyed when being called by the first name. However, you should be careful to when it is appropriate to use the first name in a message to a particular person such as a superior etc.

Beware of egalitarianism

Especially on platforms where all participants are „friends“, one should carefully distinguish between familiar and unknown addressees and adapt the tonality of communication to the respective target group.

Communicating emotions and nuances

Since the addressee neither sees nor hears the sender, nuances through gestures, facial expressions or voice pitch are not possible. Emoticons such as the wink smiley, for example, help to convey statements that are meant ironically, humorously or relativizingly.

Writing properly and accurately

Attention should be paid to spelling, grammar and punctuation. One should take the time to read the text again before sending it. Even if sloppiness allegedly does not bother the other person, he or she deserves sufficient care.

PLEASE DO NOT SHOUT!!!

Continuous writing in capital letters (upper case) should be avoided, as this is considered as shouting in online communication. More than one exclamation mark is also considered impolite in most contexts.

Get to the point

You should also take enough time to keep your content brief. For, based on Charlotte von Stein’s sentence to Goethe „Sorry for the long letter, I didn’t have time for a short one“, the taut text is usually more elaborate than simply babbling away.

Do not digress or distract

In a thread, one should stick to the topic and not arbitrarily introduce new topics.

Stay objective

Factual arguments are welcome, personal attacks are undesirable.

Let provocations dry up

Is it obvious that a troll or hater has commented on a post or sneaked into a chat? Then you should stay calm and if possible not react to it. Or you may communicate with others about the troll, never with him.

Take a good look in the mirror

Of course, no discriminatory, derogatory or insulting comments should be sent to the public network. However, if you notice that you want to send something under a pseudonym that you would not send under your real name, you should think about it again.

If you yourself are attacked in a defamatory manner, you should nevertheless remain true to an objective discussion culture.

Search first, ask later

For large forums, it is considered desirable to first enter your question in the search function. That way you can find possible already existing threads on the topic. Well-intentioned, but meaningless posts like „I can’t help you there either, but good luck with your search“ should be avoided.

One topic per message

When communicating via e-mail, the subject heading should refer precisely to the subject of the letter. If it is a completely new topic, this should be communicated in another mail with a new subject. In this way, communication histories can be created and archived for specific topics.

Confidential!

The privacy of fellow human beings must be respected. Never publish photos, videos, personal data or other information about others without their explicit permission.

Observe copyright and rights of use

Anyone who copies and shares content may violate copyright law or disregard rights of use. Therefore, you should be particularly careful when uploading or forwarding external content. Quotations should be marked and the source should be indicated.

Ignore spam

Suspicious posts that could contain spam or chain letters should be checked thoroughly. Do not share them under any circumstances.

Attention: Spoiler!

If one discusses books, TV series or films and intends to reveal important storylines or even the ending, it is considered fair to use the word spoiler as a warning.

„Let man be noble, helpful and good“ (Goethe)

Finally, the overarching appeal: With all the revolutionary technological possibilities of exchange, never forget that there is still a human being on the other side of the communication channel. This person deserves appreciation and respect for his dignity.

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