Eine Autobiografie schreiben, ist das nicht was für Promis? Einerseits. Andererseits: In Ihrem Film sind Sie der Star. Sie haben eine Menge erlebt. Sie haben jetzt mehr Muße. Sie haben möglicherweise Interesse, auf der Basis Ihrer Lebenserfahrung mal zurückzublicken, Dinge einzuordnen und der Familie und Freunden Ihre Geschichte aufzuschreiben. Wer schreibt, der bleibt. Eine Autobiografie ist kein Facebook.
Schreiben für sich selbst
Genau das ist es leider auch, was viele abschreckt. Im Gegensatz zu den Textschnipseln, die wir in Briefen, E-Mails und Postings mühelos verfassen, ist ein Buch ein umfangreiches Projekt, das bestimmten Anforderungen genügen muss. Man hat Angst davor, dass der Leser vor Langeweile einnickt oder das Buch wegen schlechter Qualität verärgert zuklappt.
Was dabei übersehen wird: Autobiografen schreiben vor allem für sich selbst. Denn das schriftliche Festhalten der eigenen Geschichte geht weit über das reine Erinnern hinaus. Es kann bei der Aufarbeitung von Erlebnissen helfen und neue Erkenntnisse bringen.
Das autobiografische Schreiben kann so die Psyche stärken und Fragen nach dem Sinn des Lebens beantworten. Der Lebensweg jedes Menschen ist ein existentielles Drama. Es gut aufzuschreiben, kann man durchaus lernen.
Stoffsammlung und Zeitschiene
Schreibwerkstätten und Schreib-Coaches bieten Kurse und Seminare speziell fürs autobiografische Schreiben an. Zur Inspiration können Sie die eine oder andere gute Biografie oder Autobiografie lesen. Oder Sie gehen einfach spontan ans Werk. Beginnen Sie Ihr Projekt damit, gelassen in Ihre Erinnerungen eintauchen. Vor dem Schreiben kommt nämlich die Stoffsammlung. Gegenstände, Tagebücher, Fotoalben, Gespräche mit Lebensbegleitern bringen Assoziationen und Erinnerungen hervor – notieren Sie zunächst alles ohne es zu bewerten. Für eine Vorsortierung entwerfen Sie eine Zeitschiene, auf der Sie wichtige Ereignisse chronologisch anordnen. Die grobe Einteilung kann sein: Kindheit, Teenagerzeit, junges Erwachsensein, Familiengründung, Berufsausstieg.
Erinnerungen verfeinern
Verfeinern und vertiefen Sie nun Ihre Erinnerungen. Dass Sie im Jahr X gerne die TV-Serie Y angeschaut haben, wird nur von Interesse sein, falls diese Serie Ihr Leben geprägt oder verändert hat. Um zu vielen anschaulichen und kurzweiligen Inhalten zu gelangen, können Sie sich beim Stoffsammeln Fragen über Fragen stellen. Hier nur ein paar Beispiele:
- Was war meine verrückteste Reise?
- Wer war mein wichtigster Lehrer?
- Wer war mein Vorbild?
- Was hat mich besonders beeindruckt?
- Wer hat mich enttäuscht oder verärgert?
Beschreiben Sie Sinneseindrücke:
- Wie hat sich ein Erlebnis, angehört, geduftet, angefühlt, welche Farben hatte es?
- Hören Sie die Musik von früher und lassen Sie sich davon inspirieren.
Wenn Sie Ihre Lebensphasen im Gedächtnis durchgehen, versuchen Sie auch, sich Zeitgeschichte und Zeitgeist in Erinnerung zu rufen:
- Was war damals Trend?
- Wie dachte man?
- Wie „tickten“ meine Freunde?
- Was prägte die Gesellschaft?
Rekapitulieren Sie viele Details, aber stellen Sie auch große Fragen:
- Was ist mir wichtig, was waren/sind meine Träume und Ziele?
- Welche habe ich erreicht, was will ich noch erreichen?
- Was waren Meilensteine in meiner Vergangenheit?
- Warum habe ich mich damals so und nicht anders entschieden?
- Was oder wer hat mich für immer verändert?
- Wann habe ich bestimmte Verhaltensmuster durchbrochen und bin über meinen Schatten gesprungen?
- Was waren meine schlimmsten Krisen?
- Wer hat mir dabei am meisten geholfen?
- Wie habe ich sie gemeistert?
- Was waren einschneidende Konflikte?
- Was waren meine schlimmsten Fehler,
- Was waren meine größten Erfolge?
- Wer sind die wichtigsten Menschen in meinem Leben?
- Wer spielt die Hauptrollen, wenn mein Leben ein Film wäre?
- Welche positiven und negativen Entwicklungen sehe ich?
- Was habe ich im Leben gelernt?
- Was ist meine ganz persönliche Weisheit?
Schreiben und Beschreiben
Zeit für die ersten Schreibversuche. Erzählen sie dabei authentisch und offen in eigenen Worten. Lesen Sie sich die Textpassagen laut vor. Es sollte nicht gekünstelt, sondern nach Ihnen klingen. Sie müssen nun keineswegs Seite 1 bis 100 druckreif verfassen. Besser ist es, einzelne Szenen aufzuschreiben, die später zu wichtigen Bestandteilen der Autobiografie werden:
- Prägende Kindheitserlebnisse
- Unvergessliche Teenagertage
- Erste Liebe
- Große Liebe
- Konflikte
- Herausforderungen
Bevorzugen Sie die Ereignisse, Erlebnisse, Empfindungen und Gedanken, die Sie für besonders dramatisch, einzigartig und unterhaltsam halten. Erzählen Sie das Gute wie das Schlechte. Sie werden anschließend feststellen, dass Sie bereits weit gekommen sind. Auch eine Sammlung von Kurzgeschichten kann ein Lebensrückblick sein.
Struktur festlegen
Vielleicht möchten Sie doch ein geschlossenes Werk daraus machen. Bevor Sie Lebensepisoden zu einer Lebensgeschichte verbinden, sollten Sie dafür eine Struktur festlegen. Wichtig sind ein oder mehrere Höhepunkte und ein roter Faden, der in Ihren Ausführungen einen Zusammenhang herstellt.
Nicht nur Zeitablauf, sondern auch Drama
Ihre Geschichte bekommt eine interessantere Handlung, wenn Sie sich nicht an eine rein chronologische Abfolge halten, sondern beispielsweise einen großen Konflikt oder eine dramatische Wendung als spannendes Intro verwenden und Ihre Geschichte auf diesen Höhepunkt hin erzählen. Sie können Ihr Lebensmotto, eine Ihrer großen Fragen oder das Streben nach Ihrem Lebensziel als roten Faden durch die Handlung ziehen, das heißt regelmäßig darauf zurückkommen. Wie hat es begonnen, was waren Fortschritte und Rückschläge; was habe ich erreicht und was nicht? Oder Sie beginnen jedes Kapitel mit einem wiederkehrenden Ereignis – zum Beispiel dem immer wieder denkwürdigen Weihnachtsabend – und spinnen von dort aus Ihren Erzählfaden.
Rückblenden und Cliffhanger
Erzählen Sie mit Rückblenden und beenden Sie Kapitel mit einem sogenannten Cliffhanger ein à la „Von da an war nichts mehr, wie es war.“ Die Neugierde auf das nächste Lebenskapitel ist geweckt. Verwenden Sie erzählerische Kniffe wie zum Beispiel (erkennbar) fiktive Briefe an für Sie wichtige Personen. Wenn Sie mögen, können Sie sich auch einen Titel für Ihre Lebensbeschreibung ausdenken.
Und nochmal von vorn
Steht der Text? Jetzt schreiben Sie ihn noch mal um! Das mag übertrieben klingen; doch nun folgt ein Arbeitsschritt, der fast so wichtig ist wie das Schreiben: die Überarbeitung.
- Holen Sie sich Rat für gutes Schreiben.
- Gehen Sie kritisch Kapitel für Kapitel durch und räumen Sie auf und streichen Sie.
- Entwickeln Sie ein Gefühl für Wiederholungen und Überflüssiges.
- Löschen Sie Füllwörter (also, bereits schon).
- Entfernen Sie abgenutzte Redewendungen („die Seele baumeln lassen“).
- Ersetzen Sie Allerweltswörter durch zutreffende Vokabeln.
- Kürzen Sie Schachtelsätze.
- Vereinfachen Sie umständliche Grammatik, zum Beispiel Aktiv statt Passiv.
- Verlassen Sie sich nicht allein auf die Korrekturfunktion, falls Sie einen Computer benutzen, sondern überprüfen Sie selbst die Rechtschreibung.
Ihre Leser verdienen es.
Wichtige Schritte vor einer Veröffentlichung
Aus Ihren ersten Notizen ist irgendwann ein ausgewachsenes Manuskript entstanden. Vielleicht möchten Sie nun, dass es als Buchveröffentlichung das Licht der Welt erblickt. In diesem Fall müssen Sie einiges beachten.
1. Gegenlesen: Bitten Sie Menschen Ihres Vertrauens, aber auch wenn möglich eine Person, die Ihnen weniger nahesteht, Ihren Text kritisch zu lesen. Prüfen Sie Ratschläge und Beanstandungen sorgfältig und ändern Sie gegebenenfalls den Text.
2. Tatsachenkontrolle: Zugunsten der Glaubwürdigkeit Ihrer Ausführungen sollten Sie alle geschilderten Fakten sorgfältig auf Ihren Wahrheitsgehalt prüfen.
3. Rechtslage: Achten Sie unbedingt darauf, dass Sie nicht gegen das Urheberrecht oder Persönlichkeitsrecht verstoßen. Holen Sie für die Veröffentlichung von Fakten über und Beschreibungen von Personen schriftlich deren Erlaubnis ein, andernfalls verzichten Sie auf die entsprechenden Textpassagen oder Nennung der realen Namen („*Name vom Verfasser geändert“). Ebenso benötigen Sie das Einverständnis zur Veröffentlichung von Fotos, Briefen, Abbildungen etc. Um ganz sicher zu gehen, können Sie sich juristisch beraten lassen.
Selbstverlage für Nicht-Promis
Einen Verlag für die Veröffentlichung Ihrer Autobiografie zu finden, dürfte sich in der Tat als schwierig erweisen, wenn Sie kein Promi sind. Allerdings gibt es die Möglichkeit, Ihre Autobiografie relativ einfach und kostengünstig selbst zu verlegen. Unternehmen wie Book on Demand oder epubli bieten Serviceleistungen für Gestaltung, Herstellung und Druck Ihres Printbuchs und eine E-Book-Veröffentlichung.
Ideeller Lohn
Es ist offensichtlich: Eine Autobiografie lässt sich nicht aus dem Hut zaubern. Alternativ kann man seine Geschichte auch professionellen Biografen erzählen, die sich für ein paar tausend Euro um Schreiben, Überarbeiten und Herstellung des gesamten Buches kümmern. Wie ein Promi eben. Aber ein Dokument, das nicht nur anderen, sondern auch Ihnen selbst so viel über Sie erzählen kann, wird durch Ihre Mühe, Kreativität und Ausdauer ungleich wertvoller. Ergreifen Sie die Chance auf einen unbezahlbaren Gewinn, der nur aus der eigenen Feder fließen kann: Erkenntnis, Persönlichkeitsentwicklung und vielleicht sogar ein Stück seelischer Heilung.