Weihnachtskitsch – früher war mehr Lametta

With English version.

Loriots Satz aus dem Sketch „Weihnachten bei Hoppenstedt“ kann man laut sagen. Und zwar in dem Sinne, dass jetzt gar kein Lametta mehr ist, sondern rosa Tannenbäume, Grinchfiguren, Schweinchenhänger und merkwürdige Zwerge. Zeiten und Geschmäcker ändern sich. Doch was um Weihnachtshimmels willen hat der ganze Weihnachtskitsch mit dem Christenfest zu tun?

Weihnachtskitsch

Das passt dazu, dass man sich mit dem frommen Wunsch „Besinnliches Weihnachten“ sofort als älteres Semester outet, da hilft das rasch nachgesetzte „Merry Xmas“ auch nichts mehr.

Wer mal mit Land-und-Leute-Anschluss in den USA war, weiß, was unbegrenzter Weihnachtskitsch bedeutet: Tannen, die hinter Tinnef-Hängern und Girlanden nicht mehr zu erkennen sind, und Häuser mit überdimensionalen Nikoläusen und Lichterketten, die in Regenbogenfarben flimmern und blinken, als könne man sich nicht zwischen Rummelplatz und Las Vegas entscheiden.  

Die riesige Baum-Waschanlage der First Lady Melania im Weißen Haus kam selbst bei den dekowütigen US-Bürgern als eine Botschaft an, die in etwa mit der Militärstrategie „Shock and Awe“ (Schrecken und Furcht) beschrieben werden könnte. Das rote Inferno bestand allerdings nur aus 29 Bäumen. 

Nicht nur zur Weihnachtszeit

Ein möglicherweise aufmerksamkeitshungriges Ehepaar aus Niedersachsen brachte es in diesem Jahr immerhin auf 444 Weihnachtsbäume in seinem Haus, darunter 39 allein in der Küche. Das Dekorieren begann nach eigener Aussage am 1. August. Respekt! Da bekommt der Titel von Heinrich Bölls Satire „Nicht nur zur Weihnachtszeit“ doch eine ganz neue Bedeutung. Es steht zu befürchten, dass ein künstlerischer Ansatz in Richtung Konsumkritik dabei nicht im Fokus stand. 

Ist die Diagnose „Weihnachts-Messie“ eigentlich schon in der WHO-Krankheitenliste eingetragen? Allgemeiner Weihnachtsfrieden kann schließlich nur herrschen, solange die dem Weihnachtskitsch zugeordnete Art der Wertbeimessungsstörung nur in den eigenen vier Wänden ausgelebt wird. Leider herrscht auch in old Europe häufig Schlaflosigkeit durch dauernächtlich erhellte Schlafzimmer dank nachbarlicher Lichtvorhänge.

Weihnachtskitsch

Zu Nachbarstreiten wegen „weihnachtlichen“ Dekowahns gibt es sogar Gerichtsurteile. Manche Deko-Fans mussten von Rechts wegen abrüsten. Eine andere Methode ist der Wettstreit darum, welches Haus irrer glitzert.

In diesem Zusammenhang soll hier auf „Stenkelfeld“ verwiesen werden. In der Folge „Weihnachtsbeleuchtung“ der NDR-Satire-Serie endet der Deko-Wettbewerb mit der Zerstörung eines ganzen Landkreises. Bitte anhören und bei Ähnlichkeiten mit lebenden Personen und realen Handlungen sofort die Notbremse ziehen!

Ihr Kinderlein kommet plastikfrei

Weihnachten ist nichts für Puristen, vor allem wenn Kinder und Enkel mitfeiern. Es muss glänzen, es muss glitzern. Lametta eben. Aber „Ihr Kinderlein kommet“ sollte nicht missverstanden werden. Der infantile Overkill aus Quietschfarben, fiesem Plastik und weihnachtsfernen Motiven kann auf manche Menschen verstörend wirken.

Hier ein Vorschlag zum Deko-Detox: ein traditioneller Adventskranz, Lichterketten, Kerzen, Kugeln, Sterne und zarter Baumschmuck sowie die Weihnachtsfarben Rot, Grün und Weiß. Und für die Glänze-Äuglein noch Sternengold und Lamettasilber.

Andererseits, Weihnachten ist Weihnachten. Also sprach der Rauschgoldengel: Erlaubt ist, was gefällt.

In diesem Sinne:

Wo befindet sich Ihre persönliche Weihnachtskitschgrenze? Ich freue mich auf Ihren Kommentar.

English version

Christmas kitsch – there used to be more tinsel

Loriot’s line from the sketch “Christmas at the Hoppenstedts” can be said out loud. In the sense that there is no more tinsel, but pink Christmas trees, Grinch figures, piggy hangers, and strange dwarves. Times and tastes change. But what on earth does all this Christmas kitsch have to do with Christmas?

This fits in with the fact that wishing someone a “peaceful Christmas” immediately identifies you as someone who is getting on in years, and even quickly adding “Merry Xmas” doesn’t help.

Anyone who has ever been to the US and got to know the locals knows what unlimited Christmas kitsch means: fir trees that are no longer recognizable behind tinsel and garlands, and houses with oversized Santa Clauses and fairy lights that flicker and flash in rainbow colors, as if you couldn’t decide between a fairground and Las Vegas.

First Lady Melania’s huge tree-washing facility at the White House was seen even by the decoration-mad US citizens as a message that could be described as something like the military strategy “shock and awe.” However, the red inferno consisted of only 29 trees.

A couple from Lower Saxony, possibly hungry for attention, managed to decorate their house with 444 Christmas trees this year, including 39 in the kitchen alone. According to their own statements, they began decorating on August 1. Respect! This gives Heinrich Böll’s satirical title “Not Only at Christmas Time” a whole new meaning. It is to be feared that an artistic approach to consumer criticism was not the focus here. 

Has the diagnosis “Christmas hoarder” actually been added to the WHO list of diseases? After all, general Christmas peace can only reign as long as the value assessment disorder associated with Christmas kitsch is only lived out within one’s own four walls. Unfortunately, even in old Europe, insomnia is common due to bedrooms that are lit up all night long thanks to neighbors‘ light curtains.

There have even been court rulings on neighbor disputes over “Christmas” decorations. Some decoration enthusiasts were legally required to take down their decorations. Another method is to compete to see which house is the most extravagantly decorated.

In this context, reference should be made to “Stenkelfeld.” In the episode “Weihnachtsbeleuchtung” (Christmas lights) of the NDR satire series, the decoration competition ends with the destruction of an entire district. Please listen and pull the emergency brake immediately if you notice any similarities with real people or real events!

Come, little children, come plastic-free

Christmas is not for purists, especially when children and grandchildren are celebrating. It has to shine, it has to sparkle. Tinsel, in other words. But “Come, little children” should not be misunderstood. The infantile overkill of garish colors, nasty plastic, and Christmas-unrelated motifs can be disturbing to some people.

Here’s a suggestion for a decoration detox: a traditional Advent wreath, fairy lights, candles, baubles, stars, and delicate tree decorations in the Christmas colors of red, green, and white. And for those with a sparkle in their eyes, add some star gold and silver tinsel. 

On the other hand, Christmas is Christmas. So said the tinsel angel: Anything goes.

Where do you draw the line when it comes to Christmas kitsch? I look forward to reading your comments.

5 Kommentare

Es kann scheinbar nicht kitschig genug sein – mein frugalster Freund, der mit dem weißen Neonröhren-Loop über dem Resopal-Esstisch in der Küche – ja, der, der kommentierte meine selbst fotografierte Karte vom antiken Holz-Karussellpferd mit echtem Grünzeugkranz als „ein bisschen steril“. Die Kitschlatte hängt ziemlich hoch!

Ich habe abgerüstet! Weniger ist mehr. Am besten gefallen mir immer noch (oder wieder) die typischen Weihnachtsfarben grün und rot. Grün erinnert an die Treue der Gläubigen zu Jesus Christus, und rot symbolisiert das Blut Christi. In diesem Sinne „frohe Weihnachten „

Vielen Dank für diesen sehr aktuellen und passenden Artikel zur Weihnachtszeit!
Um uns herum haben unsere (irischen) Nachbarn schon vor Wochen „aufgerüstet“ und ihre Häuser und Vorgärten mit zum größten Teil bunten (blau, gelb, rot …) und blinkenden Lichterketten ausgestattet. Ich frage mich schon seit langem, ob die Energiepreise vielleicht doch immer noch zu niedrig sind. Schade, dass es „Stenkelfeld“ nicht auf Englisch gibt …
Wir haben auch dieses Jahr wieder keinen abgesägten Weihnachtsbaum, sondern einen eingepflanzten im Garten. Im Haus verwende ich unsere eigenen Eukalyptuszweige und den dunkelgrünen Ylex, der hier am Wegrand wächst – dazu passen dann wirklich gut die schönen roten und grünen Bienenwachskerzen von der netten Imkerin aus dem Nachbarort.

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